Der Alfelder Kirchturmbrand am 18. April 1885
Wenn auch nicht eine der größten, so doch eine der aufregendsten Brandkatastrophen, von denen unser Alfeld jemals betroffen worden ist, war die vom 18. April 1885, bei der unsere altehrwürdige St. Nicolaikirche stark gefährdet war und erheblich beschädigt wurde.
Es war an einem Sonnabendabend. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit, gegen halb 9 Uhr, erklangen Hornsignale durch die Straßen, und der Ruf „Feuer!“ schreckte die Leute aus ihrer Ruhe auf. Im Hause des Lohndieners Eggers war durch die Fahrlässigkeit einer Mieterin Feuer entstanden, das sich mit unheimlicher Schnelligkeit über das ganze Gebäude sowie über mehrere Nachbarhäuser verbreitete. Innerhalb eines Zeitraumes von weniger als einer halben Stunde brannten vier Gebäude, die Häuser des Schuhmachers, späteren Holzaufsehers A. Küster, Lohndieners Eggers, Schuhmachermeisters H. Willers und Arbeiters Wentritt, nieder. Das Feuer fand reiche Nahrung in den Holzspänen, die damals von der Hannoverschen Papierfabrik gratis an die Einwohner abgegeben wurden und die in großen Mengen auf den Hausböden untergebracht waren. Gewaltige Flammen loderten in den Abendhimmel empor, und ein Regen von Flugfeuer und Funken wurde vom Winde westwärts nach der Kirche zu getrieben. Während die schnell herbeigeeilte Feuerwehr eifrig beschäftigt war, dem wütenden Element Einhalt zu tun, ging plötzlich ein gewaltiges Erschrecken durch die um das Feuer versammelte große Menschenmenge. Alle Blicke richteten sich nach der Spitze des südlichen Kirchturms. Mit Entsetzen musste man sich davon überzeugen, dass der Turm, in Brand geraten war. Raketenartig sprühten einzelne Flammenbündel aus der Turmspitze, dann quollen dunkle Rauchwolken hervor, und endlich loderte der brennende Turm wie eine Riesenfackel über den Dächern der Stadt in das nächtliche dunkle Land hinaus.
Das Entsetzen über den Brand war um so lähmender, als man allgemein einsah, dass man der Gewalt der Elemente hier, fast vollständig machtlos gegenüberstand, denn im Innern des Turmes führten weder Treppen noch Leitern in die Spitze empor, und von außen konnte man die Flammen nicht bekämpfen, da die Spritzen vollständig unzureichend waren, um Wasser bis hinauf nach dem Brandherd zu entsenden.
Mit Recht konnten hier die Worte aus Schillers Glocke Anwendung finden:
„Hoffnungslos
Weicht der Mensch der Götterstärke,
Müßig sieht er seine Werke
Und bewundernd untergehen.“
Ja, bewundernd! Trotz des lähmenden Entsetzens, trotz des Bewusstseins der großen Gefahr für die ganze Stadt, musste doch ein jeder der Anwesenden das furchtbar schöne Schauspiel bewundern, das der brennende Turm in der schönen, dunklen Frühlingsnacht bot. Nachdem die Magistratsmitglieder erkannt hatten, dass. die hiesigen Löscheinrichtungen sich diesem Brande gegenüber als gänzlich unzureichend erwiesen, wurde telegrafisch von Hannover Hilfe erbeten. Es dauerte ziemlich lange, ehe diese eintraf. Erst gegen Vs2 Uhr nachts brachte ein Extrazug eine Dampf spritze und Löschmannschaften, die sofort in Tätigkeit traten.
Aber auch die Hilfsmittel der Hannoverschen Löschmannschaften erwiesen sich als unzureichend diesem Brande gegenüber. Nur dem günstigen Umstände, dass der Wind umgesprungen war und dass der Turm hauptsächlich auf der Südseite brannte, war es zu verdanken, dass der neben der Feuersäule aufragende nördliche Turm nicht von den Flammen ergriffen war. Diese Gefahr steigerte sich aber in dem Maße, wie der Turm, weiter herab brannte. Denn die Wahrscheinlichkeit lag nahe, dass sich das Feuer über den zwischen den beiden Türmen liegenden Glockenstuhl verbreitete und den nördlichen Teil von unten aus in Brand setzte. In diesem Falle musste der Turm dann zusammenstürzen und in seinem Sturze Tod und Verderben für die ganze Umgebung bringen. Dieser großen Gefahr galt es vorzubeugen. Es wurde ein Angriffsplan entworfen und auch mit großer Bravour ausgeführt, Morgens gegen 5 Uhr war es, als die Freiwillige Feuerwehr dem Feuer von dem höchsten erreichbaren Punkte des nördlichen Turmes, von der so genannten Blasekammer aus zu Leibe ging, während die Bedienungsmannschaften der Hannoverschen Dampfspritze vom Kirchendache aus Wassermassen in den Brandherd schleuderten. Nun erreichte man innerhalb der Zeit einer halben Stunde, was man vorher kaum noch zu hoffen gewagt. Das Feuer wurde, nachdem ihm die obere Hälfte des südlichen Turmes zum. Opfer gefallen, gelöscht und die Gefahr für die ganze Kirche, speziell für den zweiten Turm, war beseitigt. Alles atmete auf in dem Gefühl glücklich bestandener Gefahr.
Die Nacht vom 18. zum 19. April 1885 war eine Nacht der Furcht und des Bangens für die Bewohner unserer Stadt. Gleichzeitig aber wurde sie zu einer Ruhmesnacht für die hiesige Freiwillige Feuerwehr. Was diese, ganz besonders, ihre wackere Steigerschar, in jener Nacht geleistet, darf sie stolz in ihrer Vereinschronik buchen. Ganz besondere Unerschrockenheit und kühnen Mut legte bei den Löscharbeiten der früher hier wohnhafte Dachdeckermeister Fritz K a m p e an den Tag, Er hat viel mit dazu beigetragen, dass dem Brande Einhalt getan werden konnte. Von den vier vernichteten Häusern wurde nur dasjenige des Schuhmachermeisters Willers wieder aufgebaut. Die drei übrigen Brandstellen kaufte die Stadt Alfeld und legte dort den kleinen hübschen Schmuckplatz an auf dem heute das Schumann-Denkmal steht.
Der durch den Brand teilweise zerstörte Kirchturm wurde mit einem. Kostenaufwand von 8964,49 Mark in der ursprünglichen Form wieder aufgebaut. Am 4, Oktober 1886 wurde er gerichtet. Heute ragt er wieder stolz in die Lüfte; mit seinem Bruderturm zusammen verleiht er dem Gesamtbilde der Stadt sein charakteristisches Gepräge.
In dem bei dem Brande herabgestürzten Kirchturmknauf befand sich ein Schriftstück aus dem Jahre 1817, worin niedergelegt war, dass vom Oktober 1816 an bis zur Ernte 1817 große Teuerung geherrscht hat.
Brand in der Tischlerei Koinecke
Am 14. Mai 1938 bricht in der Tischlerei von Koinecke an der Vormasch ein Feuer aus, welches aber durch rechtzeitiges und berherztes Eingreifen der Alfelder Wehr schnell niedergekämpft wurde.
Stichflammen im Speisewagen
Auf der Fahrt von Basel nach Großenbrode schlägt plötzlich im Speisewagen des Italien-Expreß S 211 am helllichten Mittag eine Stichflamme aus dem Boden. Das Personal zieht sofort die Notbremse und versucht, den wohl durch Kurzschluss entstandenen Brand mit Handfeuerlöschern auszukriegen.
Aber das gelingt nicht mehr. Das Feuer breitet sich aus.
Der Zugführer stürzt sofort ans Streckentelefon und alarmiert richtigerweise die Freiwillige Feuerwehr der nächstgelegenen Stadt.
Es ist Alfeld an der Leine.
Inzwischen wurde der Zug hinter dem brennenden Speisewagen schnell abgekuppelt. Der Zugführer springt auf den davorlaufenden Personenwagen auf und gibt dem Lokführer ein Zeichen. Der fährt jetzt mit Höchstgeschwindigkeit davon. Wie gut, dass es überall Feuerwehren gibt.
Gott sei Dank, das Alfelder Einfahrtsignal zeigt Grün. Das Stellwerk hat gleich richtig reagiert. Die Diesellok wird auf ein Nebengleis geleitet, auf dem die „fahrbare Brandstelle“ bereits mit „großem Bahnhof“ erwartet wird:
Die Freiwillige Feuerwehr Alfeld ist längst mit zwei Löschgruppenfahrzeugen LF 25 und LF 15 erschienen. Die Schlauchleitungen sind schon ausgelegt, die Hydrantenschieber aufgedreht. Sowie der brennende Waggon zum Halten gekommen ist, nehmen die bereitstehenden Löschtrupps das Großfeuer konzentrisch in die Zange. Die Wehr macht Innen- und Außenangriff zugleich. Der eingedrungene Angriffstrupp hat es allerdings in dem brutheißen, engen Wagen und dem starken Qualm sehr schwer. Aber es gelingt den Feuerwehrleuten schließlich doch, das Großfeuer abzulöschen. Die Feuerwehr Alfeld ist eine ausgezeichnete, schlagkräftige Kleinstadt-Feuerwehr.
Sie hat erst vor einigen Tagen von sich reden gemacht, als sie ein nächtliches Großfeuer im Farben-, Lack- und Heizöllager einer Alfelder Drogerie mit einem B- und sechs C-Rohren derart geschickt und schnell in die Zange nahm, dass die Brandstelle aus der bedrohten Nachbarschaft von engstehenden alten Fachwerkhäusern buchstäblich herausgeschnitten werden konnte. Andernfalls wäre eine gehörige Feuersbrunst entstanden. Beim Zugunglück zwischen Landau und Wallersdorf wie auch beim Speisewagenbrand auf der Alfelder Strecke erwies es sich wieder einmal deutlich, dass die Feuerwehr die einzige Institution ist, die bei allen unerwarteten Vorkommnissen in der entscheidenden, kurzen Zeitspanne mit den richtigen technischen Mitteln und einer gut ausgebildeten Mannschaft zur Stelle sein kann. Diese Tatsache sollte jedem Planungsstab zu denken geben, der sich mit den Fragen des überregionalen Katastrophenschutzes und des allgemeinen Notstandes zu befassen hat.
Quelle: Hans Georg Prager – Florian 14: – Achter Alarm ! – Erschienen 1965 im Bertelsmann Verlag
1955
Brand der Zellulosefabrik im Oktober 1955 |