Mitte des 19. Jahrhunderts war Alfeld eine Kleinstadt im Königreich Hannover, die von Landwirtschaft und Handwerk geprägt wurde. 1850, also einige Jahrzehnte vor der Gründung einer „gehobenen Privatschule“ heißt es in einem Bericht der Schulbehörde, „dass es in keiner Stadt des Königshauses Hannover so wenig Erwachsene gäbe, die lesen und schreiben könnten, wie in Alfeld“.
Auch in den folgenden Jahrzehnten hatte sich an dieser Situation wenig geändert. Von staatlicher Seite waren zumindest keine Bestrebungen zu erkennen, um diesen Zustand zu ändern.
Alfeld war 1887 laut Konversationslexikon ein „weltentlegenes Landstädtchen“ mit rund 3000 Einwohnern. Das zumindest musste der erste Direktor des Alfelder Gymnasiums, Hugo Herberholz lesen, als er in besagtem Lexikon nachschlug, wohin es ihn beruflichen verschlagen sollte.
Noch nicht einmal zwei volle Zeilen waren der Stadt in dem Nachschlagewerk gewidmet.
Die Wende zum Besseren brachte eine Privatinitiative von 18 namhaften Bürgern der Stadt. Ihr Einsatz war allerdings nicht ganz uneigennützig. Schließlich waren die Söhne aus gutbetuchten Familien auf höhere Schulen weit außerhalb Alfelds angewiesen.
Das kostete schon damals viel Geld. Die Ausbildung der eigenen Kinder vor Ort war billiger als Schulgeld sowie Kost und Logis in einer fremden Stadt bezahlen zu müssen. Zum anderen benötigte die seit Mitte der 1880er Jahre nach dem Anschluss an die Eisenbahnverbindung von Hannover nach Göttingen in Alfeld einen beispiellosen Wirtschaftsaufschwung erlebende Industrie qualifizierte Fachkräfte. Voraussetzung dazu war eine bessere Bildung. Dazu brauchte man bessere Schulen.
Unternehmen schossen in Alfeld wie Pilze aus dem Boden oder verlagerten ihren Sitz in die Stadt an der Leine. Es war deshalb keineswegs ein Zufall, dass unter den 18 Gründern der Schule drei Besitzer expandierender Unternehmen waren. Zu den Unterzeichnern gehörten der Fabrikant Ernst C. Behrens (heute MMP Packaging Behrens), Carl Behrens (ehemalige C. Behrens AG) und Karl Menge (Eigentümer der Handelsmühle).
Der Beginn der „gehobenen Privatschule“ war überschaubar: 38 Schüler, verteilt auf zwei Klassen (Sexta und Quinta) sowie eine Vorklasse nahmen den Unterricht auf. Die Schule blieb nur sechs Jahre in privater Hand. Bereits 1893 beschloss der Magistrat der Stadt Alfeld, das Gymnasium in städtische Trägerschaft zu übernehmen. Danach wuchs die Schule über Jahrzehnte. Daran konnten auch zwei Weltkriege und unzählige Bildungsreformen nichts ändern: Das Alfelder Gymnasium gewann zunehmend an Bedeutung. Eine der wichtigsten Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg war die Einführung des 13. Schuljahres 1950.
Als Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein riesiger Neubau mit Sporthalle und Aula am Antonianger in den Himmel wuchs, ließ der Bau allein aufgrund seiner Dimensionen erahnen, wie sich das Gymnasium in den folgendenJahrzehnten entwickeln sollte. So erhöhte sich in den nächsten Jahren die Schülerzahl drastisch. 1979 war das Gymnasium Alfeld mit fast 1900 Schülern vorübergehend sogar das größte Gymnasium Niedersachsens. Die Zeit ab 1972 stand unter dem Zeichen der Vereinbarung „zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II“. Dadurch wurde ein neues Kurssystem mit speziellen Leistungsnachweisen eingeführt.
Damals war das Alfelder Gymnasium unter seinem Leiter Dr. Horst Berndt eine jener Schulen, die Modellcharakter für andere besaßen. Doch wie im Leben, so gibt es auch im Bildungswesen keinen Stillstand. Als der heutige Schulleiter Andreas Unger 1994 Dr. Berndts Nachfolge antrat, standen in den folgenden Jahren weitere
tiefgreifende Veränderungen an. Im Laufe der Jahre wurden an der Schule besondere Angebote entwickelt, die es in dieser Breite und Vielfalt an nur sehr wenigen Schulen gibt. Dazu gehören die Fremdsprachenangebote. Ab der sechste Klasse können die Schüler zwischen Französisch, Latein und Russisch wählen. Über eine Arbeitsgemeinschaft (AG) kann später Griechisch gelernt werden. Ab der Klasse zehn kann auch Spanisch gewählt werden. In den Jahrgängen fünf und sechs werden Profilklassen für Sport, Musik (Bläserklasse) und junge Naturwissenschaftler (Netbook-Klasse) angeboten.
In der Klassenstufe sieben bis neun gibt es eine bilinguale Klasse. Darin werden der Erdkunde- und Biologieunterricht in Englisch erteilt. Als wahlfreies Fach kann außerdem Technik genommen werden. Ein breites Spektrum bieten auch die Profile in der Oberstufe.
„Unsere Stärke ist die Vielfalt“, sagt Schulleiter Andreas Unger nicht ohne Stolz. Als „Markenzeichen“ der Schule bezeichnet er den hochwertigen Fachunterricht, um die jungen Menschen bestmöglich auf Studium und Beruf vorzubereiten. Dadurch unterscheide sich das Gymnasium deutlich von vielen anderen Anbietern mit gymnasialer Oberstufe.
Nach wie vor sei das Einzugsgebiet des Alfelder Gymnasiums nahezu deckungsgleich mit dem Altkreis Alfeld inklusive Delligsens.
Seit 2009 ist das Gymnasium außerdem Ganztagsschule.
Breiten Raum nimmt daneben der internationale Schüleraustausch ein. Enge Kontakte bestehen seit 20 Jahren ins polnische Jelena Gora (Hirschberg), ein Verdienst von Dr. Horst Berndt. Darüber hinaus gibt es Austausche mit Russland und England. „Leider haben wir im Moment keinen Kontakt mit Frankreich“, bedauert Unger.
Der Oberstudiendirektor hofft aber, dass sich das demnächst ändern werde.
In den zurückliegenden Jahren hat sich die Schule außerdem ein Leitbild gegeben und ein Schulprogramm entwickelt. Darin wird die Rolle als Gymnasium für die Region Leinebergland unterstrichen. Zusätzlich gibt es einen Sozialpädagogen an der Schule. Schulkooperationen existieren mit der Habermalzschule sowie der Carl-Benscheidt-Realschule im Rahmen eines Ganztags-AG-Angebots. „Das ist eine sinnvolle Sache. Dabei gibt es durchaus Synergieeffekte“, so der Oberstudiendirektor.
Mit Beginn des neuen Schuljahres (2012) wird das Gymnasium die Zusammenarbeit auf die Grundschulen ausweiten – im Zusammenwirken mit der Haupt- und der Realschule.
Momentan besuchen etwa 1000 Schüler das Gymnasium. Angesichts der demografischen Entwicklung wird diese Zahl langfristig auf etwa 800 sinken, schätzt Unger. Sorgen bereitet ihm allerdings, dass die Schule beim Übergang in die Oberstufe pro Schuljahrgang eine Klasse an andere Schulen verliert.