In Memoriam Florenz Fischer
Florenz Fischer, seit 1938 RatskeIlerwirt der Stadt AIfeld, ist seinem unheilbaren Leiden erlegen und gestern um 20.30 Uhr sanft eingeschlafen.
Nachdem er sich im Verlauf einer gründlichen Kur in Goslar, die von einem der tüchtigsten Fachärzte mit besonderer Aufmerksamkeit und Hingabe überwacht wurde, über Erwarten glänzend erholt hatte, trat in den Tagen um Weihnachten das ein, was Eingeweihte und Florenz Fischer selbst seit langem befürchten mussten. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich schlagartig und führte wenige Tage nach Weihnachten zum völligen körperlichen Zusammenbruch. Mehrere Blutstürze machten seine Überführung in das Städtische Krankenhaus erforderlich.
Es stand von Anfang an fest, dass jegliche ärztliche Kunst seiner heimtückischen Krankheit völlig machtlos gegenüberstand. Florenz Fischer erlebt seinen
54. Geburtstag nicht mehr.
Als der Ratskeller zu Alfeld 1938 frei wurde, übernahm Florenz Fischer, damals Pächter des Kurhauses in Bad Suderode am Harz, Alfelds historische Gaststätte. Nach wenigen Tagen war damals bereits zu erkennen, dass mit dem neuen Pächter ein Ratskellerwirt von Format gefunden war. Innerhalb weniger Monate wurde „der Keller“ wieder das, was er in früheren Jahren immer gewesen ist: die führende und repräsentative Gaststätte der Stadt Alfeld. Was Florenz Fischer von Anfang an vorschwebte, war die Umwandlung des historischen Lokals in eine Gaststätte von Rang und Kultur, und seine reichen Geistesgaben, sein künstlerischer Sinn, die Sauberkeit seiner Denkungsart und die vorbildliche Berufsauffassung halfen ihm, das Ziel zu erreichen.
Unter ihm ist der AIfelder Ratskeller zum schönsten in ganz Süd-Niedersachsen geworden. Um dies zu schaffen, war Florenz Fischer kein persönliches Opfer zu groß. Darum verliert das Gaststättengewerbe mit ihm einen seiner hervorragendsten Vertreter, zugleich auch einen Berufskollegen, der völlig frei war von Neid und Missgunst, der sich vielmehr von Herzen freuen konnte, wenn auch seine Kollegen berufliche Erfolge hatten. Dabei war er von Haus aus kein Gastwirt, er kommt vielmehr aus der Textilbranche und war als junger Mann als Seidenspezialist in Spanien und Frankreich tätig. Diese Auslandserfahrungen gaben ihm den weltweiten Blick, den Sinn für das Schöne und Neuzeitliche, gepaart mit seinen edlen Charaktereigenschaften verliehen sie ihm das Chevalereske und Weltmännisch Bewegliche.
Ein guter, ein herzensguter Mensch ist frühzeitig von uns gegangen. Wer mit Florenz Fischer Freundschaft schließen durfte, wem er sich eröffnete, der hatte einen wirklichen Freund. Seine Freunde werden niemals die Stunden mit ihm vergessen. Nachts, wenn alles still war, konnte es sich ereignen, dass er im allerengsten Kreis ein Schallplattenkonzert erlesener klassischer Werke gab. In solchen Stunden lernten wir Florenz Fischer als Menschen kennen, als einen großen Musik- und Kunstfreund. über bedeutendste Orchester und Orgelwerke konnte er mit fachmännischer Sicherheit urteilen.
Seine Geselligkeit war herzerquickend. Im Freundeskreis brach sein magdeburgischer Dialekt durch, dann war er der unverwüstliche Plauderer, der mit geistvollen Pointen die Unterhaltung würzte. Wie viele Male haben wir gelacht, wenn er in vorgerückter Stunde mit allen Anzeichen von Enttäuschung und Aufgestörtsein einem aufbrechenden Freund im unverfälschten Magdeburgisch zurief:
„Wo willste denn man schon hin!“
Florenz Fischer war, wenn er auch nach dem Kriege nicht mehr der Jagd oblag, ein Waidmann von hohen Gnaden. Stolz war er darauf, im ersten Weltkrieg bei den berühmten Naumburger Jägern gedient zu haben.
Auch den zweiten Weltkrieg machte er mit, zuletzt als Offizier. Er kehrte aus englisch-amerikanischer Kriegsgefangenschaft 1945 zurück. Jungenhafte Freude erfüllte ihn, wenn er von einem Reitlehrgang in Gardelegen berichtete den wir gemeinsam absolvierten.
Überhaupt blieb in ihm stets „das Kind im Manne“ lebendig, er konnte von jungenhafter Ausgelassenheit sein.
Lieber, Florenz! Trauernd, tief betroffen kann ich nun nur mit den anderen Freunden fragen: „Wo willste denn man schon hin?“
Karl Granzow