Im Rahmen der durch den Vierjahresplan vorgegebenen Autarkiebestrebungen wurde auch die Herstellung von Alkohol (Sulfit-Spiritus) aus den Ablaugen der Zellstoffproduktion gefördert. Die dazu notwendige Technik war bereits seit Jahren bekannt, denn schon 1891 erhielt A. Mitscherlich das erste Patent zur Spiritus-Gewinnung aus den Zuckern der Sulfitablauge, und seit 1909 betrieb die schwedische Zellstoff-Fabrik Skutskär die großtechnische Herstellung von Sulfitsprit nach dem Verfahren von Ekström. Daher fiel Anfang 1937 auch in Alfeld der Beschluss zum Bau einer Sulfitspiritusfabrik („Spritfabrik“), die schon mit Ende des Jahres den Betrieb aufnehmen konnte. Die Spriterzeugung aus der Kocherablauge lohnte sich dabei so sehr, dass der damit erzielte Erlös zeitweilig allein ausreichte, die Löhne für alle Beschäftigten des Zellstoffwerkes aufzubringen. Weil der Sulfitspiritus auch zur Treibstoffherstellung verwendet wurde, galt seine Produktion später auch als „kriegswichtig“.
Bild der Spritfabrik (Bild oben), das etwa zwischen 1942 und 1951 entstanden sein muss.
Der vordere, zweigeschossige Gebäudeteil enthielt im Erdgeschoß das Spiritus-Tanklager und im Obergeschoß das Betriebslabor und die Büroräume des Zellstoffwerkes. Dahinter befanden sich der „Maischeturm“ und, rechts davon und hier kaum sichtbar, die „Gärhalle“.
In der „Gärhalle“ wurde die Ablauge durch Zusatz von Hefen in großen Holzbottichen vergoren. Zuvor musste sie jedoch erst abgekühlt werden, wozu ein etwa 18 m hoher, hölzerner Kühlturm diente, der im obigen Bild durch den Maischeturm verdeckt wird. Nach der Kühlung wurde die Ablauge durch Zugabe von Kalk zunächst noch „neutralisiert“, um ihr den Säuregehalt zu nehmen, der den nachfolgenden Gärvorgang unmöglich gemacht hätte. Die großen Neutralisationsbottiche – ebenfalls aus Holz – standen zwischen der Spritfabrik und dem Kesselhaus. Oben im Bild sind sie an ihren kegelförmigen Dächern zu erkennen.
Die eigentliche Alkoholherstellung fand dann im Maischeturm statt, der unter anderem die Destillationsanlage enthielt. Er wurde durch einen Anbau (der im Bild oben noch fehlt) für eine Absolutierungsanlage, die 1952 in Betrieb ging, in Richtung Kesselhaus erweitert. Durch die „Absolutierung“ konnte die Reinheit und Qualität des erzeugten Alkohols weiter erhöht werden.
Obiges Bild zeigt den festlich geschmückten Tankwagen während der Befüllung mit dem ersten selbst erzeugten Sulfitspiritus im Februar 1938. Rechts unten im Bild ist wohl der Schlauch zu sehen, mit dem der Spiritus aus dem Tanklager der Spritfabrik in den Wagen gepumpt wurde.
1969 „Im Wambeck“. Die Spritfabrik und der Kühlturm (rechts) machen noch einen gepflegten Eindruck.
Der Kühlturm zur Kühlung der Kocherablauge, Anfang der 1970er Jahre. Wie die kleine Dampfwolke am Laugenbehälter links unten im Bild zeigt, war das Werk zum Zeitpunkt dieser Aufnahme noch in Betrieb. Rechts hinter dem Laugenbehälter ist noch ein kleiner Teil des Kesselhauses zu sehen, und links vom Turm ein Teil der Spritfabrik.
Der Eingang zum Zellstoffwerk im Jahre 1970; optisch „beherrscht“ von der Spritfabrik. Der Maischeturm ist hier leider nur von der Schmalseite zu sehen. Mit dem Anbau der Absolutierungsanlage war auch eine leichte Aufstockung des Turmes verbunden, was bei genauer Betrachtung des Bildes an der etwas helleren Ziegelfarbe unterhalb des Daches erkennbar ist. Es war wohl die letzte große bauliche Veränderung der „Alten Zellulose“.
Das Gebäude im Vordergrund rechts beherbergte den Sanitätsraum und die Feuerspritze. Vom Pförtner- und Wiegehaus ist ganz am linken Bildrand gerade noch die Außenwand zu sehen. Von ihm aus erfolgte die Zugangskontrolle zum Werk und die Bedienung der Fuhrwerkswaage. Durch das geöffnete Tor, ganz am Ende der Werksstraße, ist die Vorderfront der Separation zu erkennen.