Die „Sternstunde“ von Großostheim
Die Klärschlammbeseitigung stand als besondere Aufgabenstellung im Mittelpunkt der Beratungen zwischen der Stadt Alfeld und dem Planungsbüro Preuss/Osterode.
Es war das erklärte Ziel, die optimale Lösung der Klärschlammbeseitigung im Raum Alfeld unter Berücksichtigung der speziellen örtlichen Schwierigkeiten zu erreichen. Dabei sollten alle finanziellen Folgekosten im Hinblick auf die ohnehin hohen Abwassergebühren möglichst niedrig gehalten werden. Eine Aufgabenstellung, die nicht nur Sachverstand, sondern auch Phantasie verlangte.
Auf Anregung des Planungsbüros Preuss besichtigte der Werksausschuss des Rates der Stadt Alfeld Ende Juni 1977 die Schlammtrocknungsanlage der Kläranlage in Griesheim/Hessen.
Die Besucher waren begründet der Auffassung, dass die langjährig in Griesheim erprobte Schlammtrocknung und Verwertung auch für Alfeld die optimale Lösung darstellen könnte. Doch angesichts der steigenden, nicht im Voraus kalkulierbaren Energiekosten für Öl oder Erdgas stellten die Folgekosten eine unberechenbare Größe dar. Diese Situation machte eine Entscheidung für die Verantwortlichen nicht leicht.
Eine weitere Besichtigung mit Vertretern der Fach- und Aufsichtsbehörden war erforderlich. Am 17. 8. 1977 wurde im Beisein des Ministerialrates Jürgen Hulsch vom Landwirtschaftsministerium Hannover, Baudirektor Horst Koller als Leiter des Wasserwirtschaftsamtes (WWA) Hildesheim sowie Vertretern des Nds. Wasseruntersuchungsamtes (NWA), des Landkreises, der Stadt Alfeld und des Planungsbüros Preuss erneut die Schlammtrocknungsanlage in Griesheim eingehend besichtigt. Im Anschluss daran wurde erstmals die Trocknungsanlage der Sammelkläranlage der „Abwasserverbände Bayerischer und Hessischer Bachgau“ in Großostheim in Augenschein genommen.
Hier in Großostheim wurden die Vertreter der Stadt und die Fachleute der Behörden mit der Möglichkeit der Verwendung des überschüssigen Methangases aus dem Faulturm für die Beheizung der Schlammtrocknungsanlage konfrontiert. Die zuständigen Klärmeister wiesen darauf hin, dass verhältnismäßig viel überflüssiges Faulgas abgefackelt würde. Von ausschlaggebender Bedeutung war aber der Hinweis, dass bei einer Nutzung des Faulgases für die Beheizung der Trocknungsanlage die Energiekosten erheblich gemindert werden könnten. Alle Beteiligten dieser Besichtigung waren von dem erprobten Schlammtrocknungsverfahren mit den aufgezeigten Ergebnissen und Hinweisen sehr beeindruckt. Die Diskussion ergab, alles zu unternehmen, um alle technischen Möglichkeiten für eine Nutzung des Faulgases auch zur Schlammtrocknung und -Verarbeitung auszuschöpfen.
Von großer Bedeutung sollte die Anregung werden, in diesem bisher noch ungelösten Problembereich an die ALFELDER EISENWERKE (AE) heranzutreten und diese Firma für einen Modellversuch zu gewinnen. Den Eingeweihten war nämlich bekannt, dass die AE sich schon in den 60er Jahren mit technischen Lösungen der Klärschlammbehandlung befasst hatten und zudem über langjährige und weltweite Erfahrung auf dem Trocknungs- und Entstaubungssektor verfügten.
Es war das erklärte Ziel aller Beteiligten, den Modellversuch als förderungswürdiges, richtungweisendes Forschungsobjekt anerkannt zu bekommen – ein Vorhaben, das erfolgreich wurde.
Zur Überraschung aller Interessenten und Nutznießer kam schon nach wenigen Monaten -Anfang 1978- die Nachricht, dass das Entwicklungsteam der AE eine Versuchsanlage entwickelt, gebaut und ein Verfahren gefunden habe mit dem Ziel, den Kreislauf für eine energieautarke Schlammtrocknung weitgehendst zu schließen.
Aufgrund der zwar vorläufigen, aber überzeugenden Ergebnisse mit der Versuchsanlage wurde der Antrag der Stadt Alfeld, eine energieautarke thermische Klärschlamm-Aufbereitungsanlage zu bauen, vom Sachverständigenkreis für Trinkwasser-, Abwasser- und Schlammtechnologie im Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) am 4. 4. 1978 anerkannt und die Bezuschussung des Sechs-Millionen-Objektes zugesagt.
Damit waren für die Gremien des Rates die letzten Zweifel beseitigt, den Auftrag für den Bau einer energieautarken Klärschlamm-Aufbereitungsanlage als das „Alfelder Modell“ noch im Jahr 1978 zu erteilen.