In den letzten Tagen des Jahres 1911 wurde das erste Elektrizitätswerk der Stadt in Betrieb genommen – genauer gesagt am 23. Dezember 1911 erfolgte die erste Stromabgabe an bis dato nur wenige Abnehmer.
„Nach einer amtlichen Bekanntmachung wird von abends ½ 5 Uhr an Licht und Kraft an diejenigen Abnehmer abgegeben, wo Hausanschlüsse und Zähler hergestellt sind.“ So schrieb die Alfelder Zeitung in ihrer Ausgabe vom 22. Dezember 1911.
Zur angekündigten Zeit konnte zum ersten Mal in zahlreichen Alfelder Haushaltungen das elektrische Licht eingeschaltet und die bis dahin gebräuchliche Petroleumlampe zur Seite gestellt werden, sofern man nicht schon Gaslicht im Haushalt verwendete.
Die erste Stromabgabe des neuen Alfelder Elektrizitätswerkes war ein großes Ereignis für die Stadt. Aber dem neuen Elektrizitätswerkes war ein großes Für und Wider vorausgegangen. Wie uns die Geschichte lehrt, wurde es aber am Ende des Steinwegs errichtet, (Bild oben) dort, wo bis dahin der sogenannte Ochsenstall gestanden hatte, im Bild verm. rechts – Bild unten.
Schon unter dem Bürgermeister Dr. Hottenrott war 1905 das Projekt erörtert worden. Zu dieser Zeit wurden Fragebogen in Umlauf gesetzt, deren Beantwortung aber nicht zum Bau eines Elektrizitätswerkes ermutigte. Hier griff der damalige Bürgermeister Gerlof das Projekt wieder auf und wurde auch zu seinem eifrigsten Förderer, denn er verlor seine Ziel nie aus den Augen. Die Alfelder versprachen sich anfänglich wenig von einem Elektrizitätswerk. Unter Bürgermeister Gerlof wurden zwei Rundfragen veranstaltet, bei der ersten noch unverbindlichen Fragerunde wurden 2000 Glühlampen gezeichnet. Die zweite, jetzt verbindliche Rundfrage ergab nur noch 1189. Dennoch gründete sich Immerhin eine „EIektrizitätskommission“, die sich eingehend mit dem Projekt befasste. Allerdings traten hier schnell Zweifel auf, weil man sich nicht einigen konnte ob es besser sei ein eigenes Werk zu bauen oder sich mit dem Kreis auf den Bau einer Überlandzentrale zu verständigen. Obwohl sich der damalige Landrat Dr. Burchard für eine Überlandzentrale des Kreises einsetzte, kam es nicht zum Bau, weil die meisten Dörfer nicht mitmachten. Zwischenzeitlich war erwogen worden, die 1912 abgebrannte Strobellsche Mühle (heute Standort Turbinenhaus Sappi Bild unten) städtischerseits zu erwerben und zu einem Elektrizitätswerk auszubauen.
Ferner wurden Pläne erörtert, den Strom vom Kaliwerk Desdemona oder vom Braunkohlenwerk Humboldt in Wallensen zu beziehen. Schließlich tauchte noch der Vorschlag auf, Alfeld an eine in Hameln projektierte Überlandzentrale anzuschließen.
Am 24. Februar 1911 fiel dann aber die Entscheidung: Einstimmig wurde der Bau eines eigenen Elektrizitätswerkes beschlossen!
Nun galt es noch die Bauplatzfrage zu klären. Von Anfang an hatte man an das Gelände im vorderen Teil der Mühlenmasch, den Platz mit dem alten Ochsenstall gedacht. Bild oben. Nach schwierigen Verhandlungen mit den Besitzern konnte am Ende das Wunschgrundstück erworben und endlich mit dem Bau begonnen werden. Die Maurerarbeiten führte Maurermeister Edmund Lampe, die Zimmerarbeiten Friedrich Schelper und die Eisenkonstruktionsarbeiten für die Maschinenhalle die Firma Otto Wesselmann & Co. (Alfelder Eisenwerke) aus. Die Installation wurde dem Sachsenwerk übertragen. Es kam aber zu Verzögerungen, da die Arbeiten durch den Streik der Elektrizitätsarbeiter vorübergehend unterbrochen wurden. Teils skeptisch, teils belustigt und teils fortschrittsfreudig beobachteten die Alfelder die Verlegung der elektrischen Leitungen. Siehe im nachfolgenden Bild rechts.
In der Nacht vom 18. Dezember 1911 war es endlich soweit: die Maschinen im Elektrizitätswerk konnten anlaufen und einen Tag vor Heiligabend leuchteten in den Häusern zum ersten Male die Glühlampen! Schon im Jahr darauf erhielten die Schaufenster der Firma C. W. Mund als erste eine elektrische Beleuchtung.
Zähler gab es in der ersten Zeit noch nicht. Die Berechnung des verbrauchten Stroms erfolgte nach einer Pauschale, gegen unbezahlten Mehrverbrauch schützte sich das Werk durch eine ebenso sinnreiche wie ärgerliche Einrichtung: Das Einschalten einer nicht angemeldeten Glühlampe führte zu einem unerträglichen Flackern des Lichtes, so dass keiner auf den Gedanken kam, mehr zu verbrauchen als die Pauschale vorsah. Eine Kraftmaschine mit Verbrennungsmotor und einer Leistung von 200 PS betrieb die Dynamomaschine mit einer Leistungsfähigkeit von 440 Volt. Als Kraftstoff wurde Teeröl verwendet, dass zum größten Teil in der Alfelder Gasanstalt gewonnenen wurde. Eine Akkumulatorenstation sollte dafür sorgen mit Tagesbetrieb auszukommen.
Die Alfelder Zeitung vom 24. Dezember 1911 gedachte dankbar außer des Bürgermeisters Gerlof auch der Elektrizitätskommission, denen die Bürgervorsteher Binnewies, Friese, Meyer und Normann und die Fabrikdirektoren Schiffner (Papierfabrik) und Meyer (Bernburger Maschinenfabrik, heute AMA) angehörten. Der Bauentwurf stammte vom Stadtbaumeister Maeder, der auch die Bauaufsicht geführt hatte. Die Dachdeckerarbeiten wurden von August Heine und die übrigen Arbeiten von den Handwerksmeistern August Quembaum, Ernst Kahle, August Bockelmann, Hermann Osten, Carl Münter, Wilhelm Johannes, August Kelpe, Heinrich Pape und Karl Pape ausgeführt.
Damit begann in Alfeld bei den Privathaushalten, Handels- und Industrieunternehmen der allmähliche Übergang vom Gas- zum elektrischen Licht