Warne-Hochwasser 1946

Flutwelle durch die Kalandstraße

Am 8. Februar 1946 wälzte sich eine verheerende Flutwelle infolge des überlaufenden Warnewehrs nicht nur durch die Oberen Anlagen, sie setzte ihre weitere Zerstörung über die Kalandstraße bis in die Unteren Anlagen fort. Die Alfelder Chronik aus dem Jahr 2008 schreibt dazu:
„Ob mitgerissene Sträucher und Laub, Abfälle von einer wilden Deponie der amerikanischen Besatzer zwischen  Langenholzen und Sack das Warnewehr in den Oberen Anlagen verstopften, oder ob das Hochwasser durch starke Regenfälle oder Schmelzwasser verursacht wurde: Die übertretende Flutwelle fand ihren Weg durch die Oberen Anlagen und riss mit zerstörerischer Kraft das seitlich einbrechende Erdreich hinweg, um schließlich die Kalandstraße auf einer Länge von 30m zum Einbruch zu bringen.“
Hierbei muss erklärt werden, dass die Anlagen einstmal Wallgräben waren und bis zu 6m aufgeschüttet wurden. Die nachfolgende historische Aufnahme entstand exakt am 08.02.1946 und zeigt die gewaltigen Wassermassen die sich auf der Kalandstraße in den weggerissenen Boden ergießen.

Die Folgen waren bis 2017 noch anhand der sich absenkenden Kalandstraße erkennbar, ehe dann 2017 die Warne sich wieder zu einem Jahrhunderthochwasser anschickte. Seit dem ist die Kalandstraße als Durchgangsstraße für Fahrzeuge gesperrt und nur noch für Fußgänger möglich zu durchqueren. Es musste übergangsweise sogar eine Behelfsbrücke für Fußgänger gebaut werden.


2023 schrappte Alfeld haarscharf wieder an einer ähnlichen Katastrophe vorbei – diesmal war man aber vorbereitet und konnte den drohenden Wassermassen die Stirn bieten. Es kam aber glücklicherwese nicht mehr zu massiven Überflutungen. Ein Tag länger Regen und die Warne wäre wieder vollends übergelaufen…

Seit 2017 ist die Kalandstraße nur noch für Fußgänger zu durchqueren


Als das Warnewasser die Kalandstraße wegspülte
Der Alfelder Wilhelm Krösche erinnert sich an das Februar-Hochwasser 1946/ Menschen mit Leinekahn gerettet

Als im Februar 1946 ein verheerendes Hochwasser der Leine das Leinetal heimsuchte, war er der jüngste Alfelder Feuerwehrmann. Durch die Berichterstattung über das aktuelle Hochwasser erinnerte sich Krösche, heute Alfelds ältestes Feuerwehrmitglied, an die Ereignisse aus jenen Februartagen vor nunmehr fast 78 Jahren. (Anm.: Stand Januar 2024)

Nach einem schneereichen Januar setzte Anfang Februar Tauwetter ein. Dazu kam ab 6. Februar ein drei Tage und Nächte anhaltender warmer Landregen. Sämtliche Flüsse und Bäche führten Hochwasser. Der Dohnser Bach nahm die am Ufer gelagerten, wie auch die von der Benscheidt-Straße über die Hecke geworfenen Gartenabfälle mit. Diese verstopften am Rechen vor der Verrohrung den Weiterlauf des Gewässers.

Wasser reißt Gartenabfälle mit sich

Das Wasser stieg und lief über die Göttinger Straße und den daneben verlaufenden Sommerweg in den Dohnser Weg. Die Wassermassen wühlten den Weg bis auf die darunter liegenden Betonrohre auf. Weil die Autofahrer, die auf der Bundesstraße 3 (B 3) fuhren, die damals noch durch Alfeld führte, nicht erkennen konnten, wo die gepflasterte B 3 aufhörte und wo ein aufgewühlter Graben anfing, mussten Mitglieder der Alfelder Feuerwehr den Verkehr durch die Wassermassen regeln.

Feuerwehr regelt Verkehr auf der alten B 3

Die durchfahrenden Fahrzeuge wurden angehalten und gewarnt. Die nach Süden fahrenden Fahrzeuge mussten ganz rechts, die nach Norden fahrenden ganz links fahren. Wenn ein Wagen mit einer Seite zu dicht an den Graben gekommen wäre, wäre er umgekippt. Ein Feuerwehrmann stand vor dem Haus Göttinger Straße 46 und der andere vor dem Haus Peck (später Bäckerei Bartels). Wenn ein Fahrzeug ankam, hielten die Feuerwehrleute dieses an, klärten den Fahrer über die Situation auf und ließen die Autos dann einzeln fahren.

Familien aus Häusern gerettet

„Morgens um sechs Uhr wurde ich von meinem Posten abgelöst. Als ich auf dem Heimweg vor dem Alfelder Eisenwerk (heute Ammann Asphalt) war, ertönte die Sirene. Ich drehte um und war als Erster am Gerätehaus an der Hannoverschen Straße (neben den Bahnschranken)“, erinnert sich Krösche. Als einige Kameraden zusammen waren, kam das einzige Löschfahrzeug, in das alle einstiegen, um den Bahnwärter Petzold aus seinem Wohnhaus an der Föhrster Straße abzuholen. In seinem Haus stand das Wasser tischhoch. Nachdem die Petzolds in Sicherheit waren, fuhren die Feuerwehrleute zur Ziegelmasch, wo es hieß, Familie Pramann aus ihrem provisorischen Holzhaus zu holen. „Dafür mussten wir den Kahn des Leinefischers Hilker vom Steinweg holen. Mit acht oder zehn Feuerwehrleuten haben wir das Boot auf den Schultern vom Eltwerk bis auf die Ziegelmasch getragen“, so Krösche weiter. 

Leinekahn als Rettungsboot

Vor dem Haus von Dr. Donack wurde es ins Wasser gesetzt. Fischer Hilker ist dann mit zwei Feuerwehrkameraden zu den Pramanns auf den Hof der Holzhandlung Schelper gefahren. „Ich musste dann nach Hause, weil ich zur Arbeit erwartet wurde. Als ich am Haus des Landvolks vorbeiging, lief das Wasser etwa zwei Zentimeter hoch über den Bürgersteig“, erzählt Krösche.
„An diesem Tag mussten wir ein Grab auf dem Alfelder Friedhof mit Betonfertigteilen ausmauern. Nachdem wir die Fertigteile auf einen Pferdewagen verladen hatten, ging die Fahrt zum Friedhof los. Als wir um acht Uhr auf die Bahnhofstraße kamen, stand diese bereits unter Wasser“, erinnert sich der heute 95-Jährige und ergänzt: „Einen großen Schreck bekamen wir auf der Kalandstraße“. Die Straße war dort zwischen den Anlagen eingebrochen.

Plastikteile verstopfen Rechen

Die amerikanischen Truppen, welche am 8. April 1945 in Alfeld einmarschiert und bis zum Herbst hier geblieben sind, erhielten ihre Kaltverpflegung plastikkonserviert. Diese Plastikteile wurden in Langenholzen auf der Wiese, wo heute ein Alten- und Pflegeheim steht, gelagert. Als die Warne über die Ufer trat, rissen die Wassermassen die leichten Plastikteile mit. Den großen Rechen hinter der ehemaligen Kohlenhandlung Kreuzburg haben die Plastikteller schnell verstopft.

Warne ergießt sich in die Anlagen

Das gesamte Warnehochwasser lief dann in die Städtischen Anlagen. Hier waren im Zweiten Weltkrieg Splitterschutzgräben ausgehoben worden, welche 1945 zugeschüttet, aber nicht verdichtet wurden. Die Erde, die auch die Kalandstraße trug, wurde weggespült. Die Folge war der Einbruch der Kalandstraße.

Wasser steht 70 Zentimeter hoch

Die Trauerfamilie kam auf einem Pferdeplanwagen stehend durch die Überflutung von Göttinger Straße und Bahnhofstraße zum Friedhof gefahren. „Auf dem Nachhauseweg habe ich diesen Wagen noch bei der Deutschen Bank erreicht und bin so gut durch das Leinehochwasser gekommen“, erinnert sich Krösche. Sein Mitarbeiter musste zu Fuß durch die überflutete Leine zwischen Postamt und altem Finanzamt. Er bestätigte, dass das Wasser dort gegen 15.30 Uhr etwa 70 Zentimeter hochstand.

Quelle: Augenzeugenbericht von Wilhelm Krösche – verfasst von Thomas Jahns/Alfelder Zeitung veröffentlicht  am 09.01.2024