Eigentlich unser Lieblingsthema, aber lassen wir auch hier den nötigen Ernst walten.
Noch heute ist Einbeck als ein Zentrum der Braukunst berühmt. Aber auch Alfeld bot bis ins 20. Jahrhundert hinein das Bild einer Brauerei-Stadt. Dem Anbau, dem Handel und der Verarbeitung von Hopfen verdankte die Leinestadt im Spätmittelalter ihren beträchtlichen Reichtum- und ihren Abstieg in die (vorläufige) Bedeutungslosigkeit im 18. Jahrhundert.
Auch in Alfeld wurde das Bier meist von den Hausfrauen für den eigenen Gebrauch hergestellt. Das hat Martha Scale bei Nachforschungen für ihr Buch „Die Geschichte der Stadt Alfeld (Leine) in neuer Sicht“ recherchiert. So hat sie herausgefunden, dass es wahrscheinlich um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert in Alfeld zu einer verstärkten Bierproduktion gekommen war, und zwar durch die Kenntnis und zunehmende Verwendung von Hopfen als Würz- und Konservierungsmittel. Außerdem war die Bevölkerung gewachsen und musste durch verstärkte Einkünfte ernährt werden. Aber erst durch die Bierfehde von 1483-1486, die der Bischof von Hildesheim auslöste, wurde in Alfeld das Braurecht gebunden an den Besitz eines Großbürgerhauses in der Stadt. Man schloss sich zu einer Brauergilde zusammen, wobei es aber Unterschiede zu den handwerklichen Gilden gab. Das Brauen war ein Privileg, das dem Inhaber große Vorteile brachte.
Das Alfelder Bier wurde aus Gerste, Weizen und Hopfen gebraut, ein Rezept aus späterer Zeit schreibt für ein Gebräu 63 Himten Gerste, 4,5 Himten Weizen und 10 Pfund Hopfen vor. 63 Himten sind etwa, den Himten zu 62 Pfund gerechnet, 39 Zentner Gerste und etwa 2,8 Zentner Weizen. Mit Warnewasser gebraut, ergab dieses Gebräu 2500 Kannen Bier, die Kanne fasste 2,8 Liter, man erzielte also nach heutigen Maßen 7 Hektoliter Bier. Es konnte an den Rat verkauft werden, der es dann ausführte, z. B. nach Hildesheim und Hannover, man konnte es aber auch im eigenen Hause verkaufen (verseilen) oder natürlich selber trinken.
Bier – Grundlage Für Reichtum
Die Bierproduktion hatte den Hopfenbau zur Voraussetzung und das war für die Alfelder Wirtschaft von ungemeiner Bedeutung. Es wuchs so viel Hopfen, und sicher auch guter Hopfen, dass sich ein recht reger Handel entwickeln konnte. Das Erscheinungsbild der Landschaft um Alfeld herum war demnach damals gänzlich anders: Überall verstellten Stangen mit Hopfenpflanzen die Sicht. Die Reben wachsen täglich etwa 10 cm bis zu einer Höhe von weit über 10m. Um sie zu halten, sind Hopfenstangen nötig, für die sich nur Fichten und Kiefern eignen, sie müssen 10m lang sein und am unteren Ende wenigstens einen Durchmesser von 20cm haben.
Der Wurzelstock ist das Kernstück der Hopfenpfanze, ihre oberirdischen Teile werden jedes Jahr abgeschnitten. Im Frühling erneuert sich der junge Austrieb bis zu etwa 75cm Wuchshöhe völlig aus dem Wurzelstock. Zwei bis sechs der jungen Triebe werden an den Stangen, heute auch an Drähten, befestigt, alle anderen beseitigt. Zur Ernte im August/September werden die Reben abgeschnitten und die Dolden einzeln abgepflückt. Danach und nach der sorgfältigen Reinigung muss der Hopfen getrocknet werden, das geschah im alten Alfeld offensichtlich nur durch Luft und kräftigen Durchzug auf den Hopfenböden. Der bekannteste ist der Dachboden des Rathauses.
Teilansicht des Daches im Jahre 1964 – Ostseite | Auf dem Dachboden des Rathauses wurde Hopfen getrocknet und unter anderem Malz gelagert |
Nach Notizen in den Kämmerei-Rechnungen und den Ratsprotokollen haben die Hopfenfahrer, Fuhrleute aus der Stadt und den Dörfern, den Hopfen vom feierlich vereidigten Hopfenmesser mit dem Hopfenscheffel messen lassen und ihn dann auf ihren hohen zweirädrigen Karren, vermutlich mit einem Pferd davor, nach Nordthüringen, vor allem nach Nordhausen und Erfurt gebracht und verkauft. Andere Städte sind nicht genannt, was aber nicht ausschließt, dass auch andere Orte Alfelder Hopfen kauften.
Der Hopfenbau war genossenschaftlich organisiert, der Beginn der Ernte wurde vom Rat festgelegt, auch der Preis gemeinsam ausgehandelt. Man achtete streng darauf, dass kein fremder Hopfen in die Stadt gebracht und mit dem eigenen vermengt wurde; das bedeutet einerseits Abwehr der Konkurrenz, andererseits den selbstbewussten Stolz auf die Qualität des eigenen. Hopfenberge gab es beispielsweise im Perk, am Sandbrink, in der Lichtenau, am Hörser Weg, am Hinsiek, am Katthagen, am Gerzer Schlag, am Wartberg (Warberg), am Heitkamp, am Eichberg (Eiberg), am Steinberg, am Knick, oder am Siechenhaus (St. Elisabeth). Wahrscheinlich war auch die vielfältige Arbeit in den Hopfenbergen Sache der Frauen, denn die Hausväter waren durchweg Handwerker.
Der Bierhandel, den die Stadt vor allem mit Hannover und Hildesheim betrieb, war durch die zwar nicht erlaubte, aber doch betriebene Bierbrauerei seitens der Ämter und Klöster sehr geschädigt worden, und als 1793 das Bierbrauen freigegeben wurde, legalisierte man nur den bisherigen Brauch. Enge wirtschaftliche Bindungen bestanden zwischen der Stadt Alfeld und dem Abnahmegebiet des Alfelder Hopfens in Nordhausen. Das lässt sich aus historischen Korrespondenzen erkennen.
Wie und wann genau es in der Region dazu kam, dass der Hopfenanbau und damit die Grundlage für eine wirtschaftlich bedeutende Brautätigkeit verschwand, lässt sich nicht mehr genau rekonstruierten. Belegt ist die Entlassung des vereidigten Hopfenmessers. Hatte er keine Arbeit mehr in der Stadt ? Außerdem findet sich in den Ratsprotokollen der Ankauf von großen Mengen Leinsamen. Wozu brauchte die Stadt so viel Saatgut? Da aus späterer Zeit bekannt ist, dass besonders viel Flachs in der Alfelder Flur angebaut wurde, liegt der Schluss nahe, dass man damals die Hopfenberge in Flachsfelder umgewandelt hatte. Aber warum war der Hopfenanbau so plötzlich unrentabel geworden?
Bild unten: Die Schanzkeller-Brauerei als nicht perspektivischgetreue Zeichnung aus der Vogelperspektive, 1980 wurden die Gebäudereste zu Gunsten eines Neubaues der Bürgerschule abgerissen.
Plötzlich verschwand der Hopfen aus der Region
Zu vermuten ist ein sehr starker Befall durch die Hopfenspinnmilbe oder die Rote Spinne. Sie ist sehr klein und mit bloßem Auge nicht sichtbar. Die Weibchen haben einen Durchmesser von 0,5 mm, die Männchen sind noch kleiner. Sie vermehren sich ungeheuerlich, aus einer Spinnmilbe entstehen innerhalb eines Sommers ein bis zwei Milliarden Nachkommen. Die von den Schädlingen befallenen Blätter verfärben sich kupferrot. Auch die Hopfendolden werden befallen, die Doldenblätter fliegen davon, und es bleiben nur die nackten Spindeln stehen. Heute weiß man diesen Schmarotzer zu bekämpfen, nämlich mit organischen Phosphorverbindungen; vor 200 Jahren sprach man nur vom Kupferbrand, „der durch Blitz oder Ungewitter oder auch durch das Wetterleuchten hervorgerufen würde“.
Da die rote Spinnmilbe noch viele andere Wirtspflanzen hat (Bohnen, Gurken, Erdbeeren, Pflaumen usw.) war auch durch das Ausreißen der Hopfenstauden keine Abhilfe zu schaffen. So standen die Alfelder vor über 200 Jahren wahrscheinlich vor einer wirklichen Katastrophe, die nicht abzuwenden war. Als der Alfelder Hopfenbau zugrunde ging, hatte der gesamte norddeutsche Raum das gleiche Schicksal. Aber bis heute weiß man die Gründe dafür nicht genau.
1789 scheint man aber noch einmal neue Hopfenpflanzungen angelegt zu haben. Einmal ist die Rede von 320 Hopfenkuhlen, ein anderes Mal von 94. Außerdem wurde ein neuer Hopfenmesser ernannt. 1818 wurden noch 15 Hopfenberge genannt, 1847 waren es noch sieben. Dann verschwindet der Name des Hopfens aus den schriftlichen Aufzeichnungen.
Bier wurde allerdings fleißig weiter gebraut. Auf dem Rathausboden wurden Hopfen getrocknet und das Malz aufbewahrt. Dem Rat gehörte auch das Brauhaus mit dem gesamten Inventar, unter anderem mit der gewaltigen kupfernen Braupfanne. Langsam verschwand aber das Interesse an dieser „bürgerlichen Nahrung“, mit der jeder Einwohner Handel treiben durfte. Und so wurde ein privater Betreiber für die städtische Brauerei gesucht. Sie wurde 1839 an Clemens Ziegenmeyer aus Föhrste verpachtet.
Alfelder Heimatmuseum |
Was blieb vom Bier?
Inzwischen war man aber in vielen anderen Orten zum Brauen von Lagerbier übergegangen, das man in Alfeld noch nicht herstellen konnte. Ziegenmeyer konnte sein Süßbier nicht absetzen und infolgedessen auch keine Pacht zahlen. Bei der großen Feuersbrunst vom 2. Juni 1846 brannte auch das Brauhaus ab.
Mit der Versicherungssumme konnte das Haus sofort wieder aufgebaut werden. Man hatte auch das Glück, wieder einen Pächter zu finden, Karl Jordan, der für eine Jahrespacht von 3508 Talern vom 1.1.1850 unter Vertrag genommen wurde. Falls er in den ersten beiden Jahren eine Lagerbierbrauerei anlegen würde, sollte der Vertrag bis zum 1.1.1862 gelten. In dem seit dem 1.1.1853 in Alfeld erscheinenden „Wochen- und Anzeigenblatt“ stand am 13.4.1853 eine freundliche Mitteilung über das Jordansche Doppelbier, „eines gut gebrauten, kräftigen und wohlschmeckenden Bieres“. Ein Jahr später aber flüchtete Jordan aus nicht mitgeteilten Gründen aus Alfeld und kam nicht mehr zurück.
Man führte die Brauerei zwar noch einige Jahre mit Pächtern ohne Gewinn weiter, aber im Februar 1868 beschlossen die Brauberechtigten der Stadt, das Brauhaus und sein Inventar an den Maurermeister Kirsch zu verkaufen. Der Magistrat stimmte zu. Kirsch baute das Gebäude zum Wohnhaus um, die riesigen Kellergewölbe wurden zugeschüttet, er selbst und sein Unterpächter gründeten zwei eigene Brauereien, die letzte davon bestand am Brauereiwall bis zu einem Brand 1912. Das Gebäude musste 1981 dem Erweiterungsbau der Bürgerschule weichen. Übriggeblieben ist ein riesiger Gewölbe & Eiskeller in dem die Bierfässer kühl gelagert wurden und ein ehemaliges Gasthaus an der Holzer Straße.
In Alfeld gab es zwei große Brauereien:
– Die Bergbrauerei an der Winzenburger Straße (heute Nr. 60)
– Die Brauerei zum Schanzkeller (heute Nr. 8)
Quelle: SIEBEN: Ausgabe November 2000 – Text: Heiko Stumpe – Fotos: Archiv alt-alfeld & Heiko Stumpe einige Textpassagen umgeschrieben von alt-alfeld