1979 – An der Schwelle der achtziger Jahre
Alfeld muss weiterhin eine Fülle von großen und schwierigen Aufgaben bewältigen
Unsere Bilder greifen noch einmal wichtige Ereignisse aus dem Jahre 1979 heraus, während sich der Textbeitrag vorwiegend mit der Zukunft beschäftigt
Wenn bei den Jahreszahlen nicht nur die letzte Ziffer wechselt, sondern auch die vorletzte, kommt uns zum Bewusstsein, dass die Menschen schon immer in Jahrzehnten zu denken pflegten, wenn es um geschichtliche Tatsachen geht. Nur wer sich und seine Kraft maßlos überschätzt, fängt gleich an, in Jahrtausenden zu denken. Die Älteren unter uns haben das „Tausendjährige Reich“ miterlebt, das ganze zwölf Jahre gedauert hat.
Geschichte fangt für viele von uns als Familiengeschichte an, sie weitet sich aus zur Heimatgeschichte, die schließlich in die Geschichte eines Landes mündet. Stets war der „kleine Mann“ aber zugleich das Objekt und zeitweise das Opfer einer größeren Geschichte, die er mitunter nicht verstand und gegen die er sich kaum zur Wehr setzen konnte. Schritt für Schritt musste er sich die Rechte und Freiheiten erkämpfen, die ihn schließlich in begrenztem Umfang zum Mitgestalter der Geschichte machen. In der Weimarer Verfassung stand das stolze Wort „Alle Gewalt geht vom Volke aus“. Das stimmt nur teilweise und nicht für lange Zeit.
Heute sehen wir die Wurzeln des politischen Geschehens in der Kommunalpolitik, wir wissen aber auch sehr genau, wie sehr die „große“ Politik auf die „kleine“ zurückwirkt. So ist jeder von uns von Entwicklungen abhängig, die er selbst nicht beeinflussen kann – man denke nur an die Öl- und Benzinpreise. Beim Durchblättern der Zeitungsbände eines Jahres spürt man deutlich, wie der Abstand zu den Ereignissen auch die Maßstäbe verändert. Unsere Politiker und Verwaltungen haben sich nach Kräften bemüht, und sie sind stolz auf das Erreichte. Das ist ihr gutes Recht. Dem Bürger freilich mahlen nicht nur die Mühlen der Gerechtigkeit, sondern auch die des ganzen staatlichen Apparates oft viel zu langsam. Vom Erkennen eines Problems bis zu seiner Lösung vergehen oft viele Jahre, und die Geduld wird oft auf eine harte Probe gestellt. Umso mehr freut man sich, wenn wichtige Dinge tatsächlich in Bewegung geraten und – einmal aufs richtige Gleis gebracht – dann mit Hilfe ihres Eigengewichts und guter „Motoren“ auch vorwärts rollen.
Schlussstrich unter die Kommunalreform
In diesem Jahr setzten ein Urteil des Staatsgerichtshofs in Bückeburg und die Zurückweisung einer Normenkontrollklage vom Bundesverfassungsgericht die juristischen Schlusspunkte unter die niedersächsische Kreisreform.
Was unseren Raum anbetrifft, so wurde der Landtag aufgerufen, die widernatürliche Abtrennung Duingens rückgängig zu machen. Er tat es, ließ aber mit Rücksicht auf die nächsten Kommunalwahltermine die endgültige Eingliederung Duingens in den Landkreis Hildesheim zum Missvergnügen der Betroffenen weiter auf sich warten. Das war noch einmal Wasser auf die Mühlen derjenigen, die an der ganzen Kommunalreform kein gutes Haar finden können. Wenn wir uns für bürgernahe Verwaltung in überschaubaren Räumen eingesetzt haben, hielt man uns oft entgegen, dass wir nicht mehr in der Zeit der Postkutsche, sondern in der des Flugzeugs lebten. Wenn das so völlig stimmte, wäre tatsächlich die Ausrüstung des Regierungspräsidenten mit einem Hubschrauber und die Umbildung der Bezirksregierung zu einem fliegenden Einsatzstab ein dringendes Gebot. Aber die Behörden können nun einmal nicht alles „im Fluge“ erledigen, so sehr das den Bürger schmerzt. Räte und Verwaltungen haben nämlich sehr viel mit klugen Hausvätern gemeinsam, die oft genug sorgsam abwägen müssen, wofür sie ihr Geld ausgeben.
Neue Gebilde brauchen Zeit
Je größer freilich die Gebiete zugeschnitten werden, für die solche Gremien verantwortlich sind, um so größer und verwirrender werden die Aufgaben. Im neuen Landkreis Hildesheim hat man sich große Mühe gegeben, eine gedeihliche Zusammenarbeit der beiden Altkreise in die Wege zu leiten. Aber nach wie vor sind für manchen Alt-Hildesheimer die Gemeinden im Altkreis Alfeld „böhmische Dörfer“ und umgekehrt. Auch das neue Gebilde braucht offensichtlich zum Wachstum Zeit.
Schulprobleme wurden angepackt
So ist es dem Altkreis Alfeld heute noch hoch anzurechnen, dass er in einigen Fällen rechtzeitig die Weichen gestellt hat. Es wurde erst kürzlich beim Richtefest des neuen Berufsschulzentrums in Alfeld gesagt, und es ist richtig. Gebaut wird nun endlich auch die Orientierungsstufenschule in Alfeld, von der sich Gymnasium und Bürgerschule, hoffentlich recht herzhaft an, dessen Lösung durch die noch ausstehende Neueinrichtung des Bauhofs hinausgezögert wurde.
Schon dieses einfache Beispiel zeigt, wie häufig die Dinge ineinandergreifen. So steht zum Beispiel die Standortfrage des Feuerwehrgerätehauses in einem zumindest losen Zusammenhang mit dem Bau der Süd-Ost-Tangente. Auch für das Gerätehaus ist man nach langem Hin- und Her zu einem von allen akzeptierten Beschluss gekommen, und die erwähnte Tangente wurde wenigstens teilweise dem Verkehr übergeben und soll im Jahre 1981 fertiggestellt werden.
Generalverkehrsplan wird verwirklicht
Damit ist – wie wir meinen – das zweitwichtigste Stück des Alfelder Generalverkehrsplans auf dem Wege zu seiner Vollendung. Das wichtigste Stück bleibt nie Nordtangente, für die nun wenigstens die Vorplanung abgeschlossen ist. Selbst Optimisten glauben, dass für Planfeststellungsverfahren und Hauptplanung noch einige Jahre ins Land gehen. Hier dürfen freilich die Kommunalpolitiker nicht müde werden, immer wieder zu drängen und zu mahnen. Denn erst die Nordtangente kann die Alfelder Verkehrsverhältnisse auf längere Sicht bereinigen, das Industriegelände reibungslos an die Hauptverkehrsadern anschließen und den Weg zur Umwandlung der Alfelder Innenstadt in eine Fußgängerzone frei machen.
Dass in diesem Zusammenhang auch das „Nadelöhr“ Leinebrücke als derzeit ernstestes Verkehrshindernis verschwinden muss, ist keine Frage. Es klingt paradox, dass nun auch für den Omnibusbahnhof endgültig die Weichen gestellt sind. Dieses ein wenig schiefe Bild mag erlaubt sein, geht es doch um den Alfelder Bahnhofsvorplatz und damit um die möglichst nahtlose Verbindung von Schienen- und Straßenverkehr.
Der öffentliche Nahverkehr
Mit dem sich immer noch ausweitenden individuellen Autoverkehr ist das Problem der Verbindung von Alfelds Stadtkern mit den Ortsteilen durch den öffentlichen Nahverkehr ein wenig in den Hintergrund getreten. Wer aber sagt es, dass nicht bei steigenden Benzinpreisen und zunehmender Verstopfung der Straßen nicht auch diese Frage erneut an Gewicht gewinnt?
Es war schon immer so, dass die Bewältigung einer Aufgabe zugleich den Blick freigibt für das Erkennen anderer Forderungen. So werden auch die achtziger Jahre Anforderungen stellen, die heute noch niemand ahnt.
Eingliederung der Ausländer
Auf einem Sektor gab es 1979 einen kleinen Vorgeschmack: Man wurde sich der Probleme der ausländischen Arbeiter und ihrer Kinder stärker bewusst als zuvor. Wenn man Teile Alfelder Straßen heute schon scherzhaft „Klein-Istanbul“ nennt, zeichnet sich am Horizont schon die Verpflichtung zur Eingliederung der türkischen und anderer Minderheiten ab.
Wie schwierig ganz allgemein die künftige Entwicklung abzuschätzen ist, zeigt die Entwicklung auf dem Abwassergebiet. Als in den fünfziger Jahren die Alfelder Kläranlage gebaut wurde, hielt man die Entsorgung auf lange Zeit für gelöst.
Inzwischen wuchs nicht nur die Stadt Alfeld durch die Eingliederung der umliegenden Gemeinden, auch die Größenvorstellungen für Kläranlagen wandelten sich. So wurde der Bau der neuen Kläranlage bei Wettensen erforderlich, die ihren Betrieb bereits aufgenommen hat. Im neuen Jahr erwartet man die ersten Ergebnisse der neu entwickelten Schlammtrocknungsanlage, die Alfelds Kläranlage vielleicht zu einer Mustereinrichtung über die Grenzen des Bundesgebietes hinaus machen werden
Ein Wahljahr steht bevor
Das nächste Jahr ist ein Bundestags-Wahljahr. Vordergründig betrachtet, hat das mit den kommunalen Aufgaben nichts zu tun. Aber wir hörten oft genug, dass die Höhe der Steuern und ihre Verteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auch den Rahmen für die Kommunalpolitik absteckt. Verhütet werden muss jedoch vor allem, dass die notwendige politische Gegnerschaft, die zu den Motoren unseres gesellschaftlichen Lebens gehört, in Feindschaft umschlägt. Ich lobe mir die Politiker, die sich mit harten sachlichen Argumenten streiten und hinterher wieder in gegenseitiger Achtung zusammensetzen. Bloße Prinzipienreiterei hat der guten Sache selten genützt.
Kritik und Bürgerrechte
So wird auch die Zeitung künftige ihr Aufgabe darin sehen, den Fortgang der kommunalen Arbeit wach und kritisch zu begleiten. Kritik um jeden Preis wird ihr dabei genau so fern liegen wie Anbiederung. Behörden verstehen sich heute nicht so sehr als Befehlszentralen wie vielmehr als Dienstleistungsbetriebe für den. Bürger. Das ist gut so, schließt jedoch die Gefahr einer übergroßen Bürokratisierung keineswegs aus. Die Zeitung wird sich dann immer auf die Seite des Bürgers zu stellen und seine Rechte zu verfechten haben. Auch das ist eine Aufgabe der achtziger Jahre, und gewiss keine leichte.
Ein Wort zum Schluss:
Den meisten geht es gut, vielen besser als je zuvor. Trotzdem ist die Welt kein Paradies. Armut und Not fallen als schwere Schicksalsschläge nach wie vor auf Menschen die daran keine oder nur geringe Schuld tragen. Wir können die Weit bei allem guten Willen nicht in einen Garten Eden verwandeln. Aber wir können zusammenstehen, um gemeinsam Bedrohungen unseres Lebens und unserer Freiheit zu überwinden und der Not zu steuern, wo es in unseren Kräften liegt.
Ganz zum Schluss:
Die letzte Polizeiwache im abgelaufenen Jahr in Alfeld mit den alten Uniformen. In der Nacht zum 1. Januar verschwinden die Uniformen aus dem Straßenbild, von 1980 an tragen die Beamten alle das grüne Jackett und die beigefarbene Hose. Das ist nun der vierte Uniformwechsel der Polizei Niedersachsens seit Beendigung des Krieges: Zuerst war die Uniform grün, dann dunkelblau, schließlich fliegergrau und nun wird sie zweifarbig.