1953

1953 – Ein erfolgreiches Jahr für den Kreis Alfeld
An der Spitze der soziale Wohnungsbau, die Straßenverbesserung und die Trinkwasserversorgung

Am letzten Tage des Jahres 1953 kann der Kreis Alfeld auf erfreuliche Leistungen zurückblicken. Vielfältige und oft schwierige Aufgaben waren zu bewältigen, sie wurden von Kreisvertretung und -verwaltung in erfreulicher Einmütigkeit und Einsatzfreudigkeit gelöst. Wir können in diesem Rückblick nur einige der wichtigsten Probleme herausgreifen.

Beim Wohnungsbau machten sich anfangs gewisse Kreditschwierigkeiten bemerkbar. Dennoch wurde das soziale Wohnungsbauprogramm in drei großen Abschnitten planmäßig vorangetrieben. Mit einem Gesamtkostenaufwand von rund 2,3 Millionen D-Mark wurden 203 Wohnungseinheiten geschaffen, für die rund 935.000 DM an Landesmitteln bereitgestellt wurden. Aus der Wohnbauabgabe, die bekanntlich in anderen Landkreisen heftig umstritten war, konnten diese Bauvorhaben mit rund 156.000 DM gefördert werden. Insgesamt erbrachte die Abgabe im Kreise Alfeld rund 180.000 DM.

Nachdem rd. 100 km der Kreisstraßen sich in gutem Zustand befinden, besteht begründete Hoffnung, dass im kommenden Jahr auch die restlichen 26 km in Ordnung gebracht werden können. ‚Krieg und Nachkriegszeit hatten auch hier besonders schwierige Verhältnisse geschaffen, die nur Zug um Zug bereinigt werden konnten. Erfreulicherweise sind die wichtigen Durchgangsstraßen jetzt alle instandgesetzt worden. Für die Instandsetzung mussten im Jahre 1953 rund 418.000DM und für die Unterhaltung rund 100.000 DM aufgebracht werden, so dass insgesamt mehr als eine halbe Million DM dem Straßenbau zuflossen.

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Der Berufsschulneubau vor der Vollendung

Dem Wassermangel in vielen Orten des Kreises wurde durch mehrere großzügige Projekte bereits weitgehend abgeholfen. Im Raum Gronau wurde durch den Wasserbeschaffungsverband mit einem Aufwand von einer Million DM der zweite Bauabschnitt für den Anschluss an die Söse-Wasserleitung durchgeführt, der den Bau der Transportleitung Gronau-Duingen und den Anschluss der Orte Möllensen, Hönze, Nienstedt, Banteln, Eime und Marienhagen einschließt. Auch der Wasserverband Graste – Harbarnsen konnte mit einer Viertelmillion DM den Anschluss der Gemeinde Woltershausen, der Siedlung Hornsen sowie den Ausbau der Ortsnetze in Graste und Woltershausen erreichen. Der Kreis förderte auch den Bau eines Tiefbrunnens in Everode und seinen Anschluss an das Ortsnetz, wofür 20.000 DM erforderlich waren. 15.000 DM stellte der Kreis für den Bau eines Tiefbrunnens in Brüggen, 10.000 DM für einen Tiefbrunnen in Mehle und 20.000 DM zur Verbesserung der Wasserleitung in Gerzen zur Verfügung. Der Ausbau der Kanalisation in Gronau und Banteln wurde ebenfalls mit erheblichen Mitteln gefördert.

Bei den Schulbauten steht an erster Stelle der Neubau der Kreisberufs- und Fachschule durch den Berufsschul-Zweckverband in Alfeld, der im wesentlichen zum Jahresende vollendet ist, ferner wurde der Schulbau in Betheln fertiggestellt. Im Bau befinden sich die Schulen in Mahlerten und der Schulerweiterungsbau in Freden. Im neuen Jahre sind die Schulen in Rheden und Langenholzen an der Reihe, für die bereits Pläne ausgearbeitet wurden. Der Kreis förderte auch den Erweiterungsbau des Johanniter-Krankenhauses in Gronau und wird sich 1954 auch der Unterstützung einer Erweiterung des Alfelder Krankenhauses mit aller Energie zuwenden müssen. Wesentlich verbessert wurden die unzulänglichen Brüggener Verkehrsverhältnisse durch den Bau der neuen Leinebrücke, die im vergangenen Sommer fertig wurde.

Eine besondere Arbeitslast hatte das Lastenausgleichsamt zu bewältigen, das im Vergleich zu anderen Kreisen und selbst zur Stadt Hannover ein besonders großes Pensum geschafft hat. Den Vertriebenen und Kriegsgeschädigten des Kreises Alfeld flossen aus dem Lastenausgleich rund 6 Millionen DM zu, die zu einem erheblichen Teil der heimischen Wirtschaft zugutekamen.
Über 18.000 Anträge betrafen allein die erste Rate der Hausrathilfe, 10.000 harren auch im kommenden Jahr noch auf ihre Erledigung, ausgezahlt wurden hier rund 3,2 Millionen DM. Von rund 5000 Anträgen auf Kriegsschadenrente wurden rund 4000 bewilligt oder erledigt, an Unterhaltshilfe wurden rund 2,4 Millionen DM in diesem Jahre ausgezahlt. Die Zahlungen an Sowjetzonenflüchtlinge aus dem Härtefonds halten sich dagegen in recht bescheidenen Grenzen. An Eingliederungsdarlehen strömten rund 190.000 DM, auf Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau rund 150.000 DM in den Landkreis, über 140.000 DM erreichte auch die Summe der Ausbildungshilfen.

Mit imponierenden Zahlen weiß auch das Sozialamt des Kreises aufzuwarten. Wir wollen bei dieser nüchternen Aufzählung jedoch nicht vergessen, wie viel Not und Elend sich auch heute noch dahinter verbirgt. Es darf allerdings ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden, welche segensreiche Hilfe hier in vielen Fällen geleistet wurde. Denken wir nur an die Erholungsfürsorge für Kinder, 450 durften schöne Wochen an der Nordsee oder in . niedersächsischen Bädern verbringen und 90.000 DM wurden hierfür aufgewendet. Durchschnittlich wurden rund 1700 Personen laufend aus öffentlichen Mitteln unterstützt, wodurch Gesamtkosten von rund 800.000 DM entstanden. Die Unterbringung von 195 Menschen in Alters- und Siechenheimen kostete rund eine Viertelmillion, die Tuberkulosefürsorge rund 100.000 DM.

Ferner wurden rund 1700 Schwerbeschädigte betreut, deren Umschulung besonders intensiv gefördert wurde. Große Aufmerksamkeit widmete man auch der Betreuung der Hinterbliebenen, denen allein 45 000 DM an Erziehungsbeihilfen gewährt wurden. Von dem Schwerbeschädigtengesetz, das inzwischen in Kraft getreten ist, erhofft man sich, dass auch der letzte Schwerbeschädigte in Kürze Beschäftigung findet.

Erheblich zugenommen haben im Laufe des Jahres die Arbeiten im Jugendamt, in dem z. Z. rund 1400 Amtsvormundschaften geführt werden. Es betreut außerdem 215 Pflegekinder und zog im Jahre 1953 rund 200.000 DM an Mündelgeldern ein.

Damit wollen wir unsere Rückschau abschließen. Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass der Kreistag und seine Ausschüsse ebenfalls eine erhebliche Arbeitslast bewältigten. Das Interesse der Öffentlichkeit an dieser Arbeit war allerdings nur sehr schwach. Zum Teil mag es daran gelegen haben, dass sich die wesentlichsten Vorgänge in den Ausschüssen und damit hinter den Kulissen abspielte, und dass der Uneingeweihte die Arbeit des Kreistags oft für eine recht schematische Abstimmungsmaschinerie halten mochte. Vielleicht ließe sich durch eine aufgelockertere und lebendigere Gestaltung der Sitzungen auch hier Wandel schaffen. Es wurde im Kreistag oft betont. dass hier keine Parteipolitik, sondern praktische Arbeit getrieben werde. Diese Einstellung ist im Grunde recht erfreulich, und die Erfolge haben ihre Richtigkeit bewiesen. Dennoch würden wir es nicht für schädlich halten, wenn auch die politischen Grundsätze der Person, die“ ja nicht zuletzt als Vertreter ihrer Parteien in den Kreistag einzogen, mitunter etwas schärfer profiliert in Erscheinung träten. Wir glauben, dass sich Verständnis für die große Politik am leichtesten und vielleicht sogar ausschließlich dadurch wecken lässt, dass man die Menschen auf der Ebene der Gemeinden und des Kreises für politische Dinge interessiert. Die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Mehrheit und Opposition brauchte darunter keineswegs zu leiden. Wir meinen vielmehr, dass auch die Arbeit der unteren Parlamente den oberen richtungweisende Anregungen geben müsste, wie umgekehrt die großen grundsätzlichen Einstellungen unserer Parteien bis auf die untere Ebene zurückstrahlen sollten.

Kommunalpolitischer Jahreswechsel
Von Karl Granzow

Das kommunalpolitische Jahr der Stadt Alfeld hat keine besonderen Überraschungen gebracht. Die letzte öffentliche Ratssitzung fand am 26. November mit der Wiederwahl Bürgermeister Langes, die ebenfalls nicht überraschen konnte, statt. Bürgermeister Lange erstattete in dieser Sitzung seinen Rechenschaftsbericht über sein erstes Amtsjahr, den wir in seinen wesentlichen Punkten im Wortlaut veröffentlicht haben. Wir können uns daher darauf beschränken, die wichtigsten Arbeitsergebnisse des Rates und der Stadtverwaltung in die Erinnerung zurückzurufen:
Die Umstellung der städtischen Stromversorgung von Gleichstrom auf Drehstrom mit einem Kostenaufwand von 421.000 DM, der Abschluss des Gaslieferungsvertrages mit der Ferngasgesellschaft Salzgitter-Drütte und der Beschluss, die eigene Gasproduktion 1954 einzustellen, der Erweiterungsbau der städtischen Oberschule mit einem Kostenaufwand von 431.000 DM, der Ankauf einer Umwälzanlage für das städtische Freibad, der Bau des Schlehbergweges (Heinrich-Rinne-Straße), die Vergebung weiterer Flächen auf der Neuen Wiese für Industrieunternehmen, der Neu-, Um- und Ausbau von Straßen mit einem Kostenaufwand von 116.000 DM und die Senkung der Gewerbesteuer von 385 v.H. auf 370 v.H. Nicht zuletzt wäre zu erwähnen der Neubau von zwei inzwischen bezogenen Wohnhäusern für elf Familien an der Winzenburger
Straße.

Wie Bürgermeister Lange mitteilte, fasste der Rat im letzten Jahr 92 Prozent seiner Beschlüsse  einstimmig, in-den Ausschüssen habe sich bei insgesamt 1165 Beschlüssen sogar Einstimmigkeit m 98,8 Prozent der Fälle gezeigt. Man darf also von einer guten Zusammenarbeit der Fraktionen sprechen.

Was wir in unserer Jahresrückschau über die Kreisarbeit hinsichtlich des an sich erfreulichen Zusammenwirkens aller Kräfte darlegen, möchten wir auch von den Fraktionen des Rathauses sagen: Wir würden es durchaus nicht, als Nachteil empfinden, wenn die doch auch jeden Fall vorhandenen politischen und geistigen Unterschiede ein wenig klarer heraustreten würden. Wir sind der Meinung, dass das Wort, Politik gehöre nicht auf das Rathaus, allzu leicht der Tarnung dienen kann und dass dieses Wort nicht aufrichtig ist. Wo sonst Parteien und Fraktionen, Fraktionen sogar, m denen es offensichtlich Fraktionszwang gibt! Wir sprechen ja auch von Kommunalpolitik, das ist Gemeindepolitk, und sie ist nicht weniger bedeutsam als Kreis- und Landespolitik.

Auch in unserem Rathaus würde es daher nichts schaden, wenn die  kommunalpolitischen Grundauffassungen klarer zu Tage träten. Wir mochten damit beileibe nicht der hemmungslosen parteipolitischen Debatte das Wort reden, aber es wäre gewiss gut, bei aller Einstimmigkeit doch wenigstens von Zeit zu Zeit ganz klar heraushören zu können, in welche Richtung das kommunalpolitische Streben der einzelnen Fraktionen geht. Wir nannten es bei einer anderen Gelegenheit einmal den „frischen Wind“, den der Bürger im Rathaus verspüren möchte.

Gewiss hat die Bürgerschaft noch sehr viele Wünsche, zum Teil werden sie von den Ratsherren geteilt. Der durch den wirtschaftlichen Aufschwung der letzten Jahre ausgelöste Optimismus verführt freilich leicht dazu, Forderungen zu stellen, die sich mit dem Stadtsäckel nicht immer in Einklang bringen lassen.
Die städtischen steuern sind nach wie vor hoch und belasten Gewerbe und Grundbesitz erheblich, z. T. bis an die Grenze des noch eben erträglichen. Die Gewerbesteuer noch mehr zu senken, wie es auch vom Bürgermeister als einhelliger Wunsch des Rates herausgestellt worden ist, bedeutet aber auch Zurückstellung mancher Wünsche. Wir meinen, dass unsere Stadt ein durchaus flottes Aufbautempo vorgelegt hat, dass viele der schlimmsten Probleme bereits gelöst oder der Lösung sehr nahe gebracht werden konnten. Die Bürgerschaft darf seinem Rat dafür dankbar sein.
Trotzdem erscheint es angebracht, gewisse Zeichen der Zeit zu beachten und daraus Konsequenzen zu ziehen, auch wenn sie zunächst schmerzlich sind. Erweiterung des Krankenhauses, Bau des so überaus dringend erforderlichen Feuerwehrgerätehauses, Bau einer neuen Turnhalle, Neubau eines Jugendheimes und vieles andere mehr sind durchaus verständliche Wünsche. Es wird Aufgabe des Rates sein müssen, die Dringlichkeit dieser Objekte gegeneinander abzuwägen und nur das anzupacken, was unumgänglich nötig ist.

Es wäre zu viel verlangt, wollte man erwarten, dass innerhalb von wenigen Jahren alles das getan wird, woran früher Generationen bauten. Man kann sich „tot bauen“. Das Tempo darf u. E. ruhig etwas nachlassen, um dafür der steuerzahlenden Wirtschaft jene Erleichterungen zu geben, die sie im immer mehr sich versteifenden Konkurrenzkampf dringend benötigt. Alfeld steht und fällt mit seiner Wirtschaft, an deren Spitze unsere Spezialindustrien stehen. Das sind mindestens zum Teil empfindliche Wirtschaftszweige, die dem Wettbewerb mit den Firmen anderer Gebiete des Bundes stark ausgesetzt sind und sich schon heute ihrer Haut wehren müssen, um durchzustehen. Der Wille zur Sparsamkeit muss daher auch im Rathaus lebendig sein, die Möglichkeiten der Reservenbildungen sollten so weit wie möglich ausgenutzt werden. Deswegen darf man trotzdem Optimist bleiben, man wird sich erst recht freuen, wenn unser Optimismus durch die Entwicklung der Dinge gerechtfertigt wird!

Am Schluss des alten Jahres möchten wir wünschen, dass es unseren Stadtvätern auch im Jahre 1954 gelingt, das Stadtschiff sicher durch Strömungen und Brandungen zu steuern.

Heinz Linke

Quelle: Alfelder Zeitung vom 31.12.1953