Die Geschichte der Tierhandlung Ruhe
Als die wilden Tiere in den Norden kamen
Es war in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als Ludwig Ruhe von Grünenplan aus den Harz durchstreifte, um Kanarienvögel zu Handelszwecken einzukaufen. L. Ruhe brachte deshalb die kleinen Sänger meist persönlich in langen Fußwanderung zu den Kunden, so z. B. nach Lübeck. Als der „Harzer Roller“ immer bekannter und auch in Übersee immer begehrter wurde, mussten strapaziöse wochenlange Segelschiffsreisen in Kauf genommen werden. Aus diesen Fahrten nach Übersee entwickelte sich allmählich die Einfuhr fremdländischer Tiere nach Europa. Bereits 1868 wurde als Filiale die Firma L. Ruhe, New York, gegründet. 1914 waren es fast eine Viertelmillion Harzer Roller, die von Alfeld aus nach Amerika gingen. Ludwig Ruhe starb früh und seine beiden Söhne Bernhard und Hermann bauten das Geschäft nach den väterlichen Grundsätzen weiter aus. Bernhard übernahm 1882 die Filiale New York. Hermann Ruhe vergrößerte nach und nach das Alfelder Geschäft und setzte schließlich durch, dass außer Vögeln auch Großtiere eingeführt wurden.
Viele kennen diese Erzählungen nur noch vom Hören-Sagen ihrer Eltern oder Großeltern: die Rede ist von den unzähligen Tierkarawanen der Tierhandlung Ruhe. Nach oft mehrwöchigen Schiffspassagen von beispielsweise Afrika nach Hamburg, kamen diese Transporte immer wieder im beschaulichen Alfelder Bahnhof an und sorgten für großes Aufsehen in der Stadt. Oftmals waren bei diesen Transporten eingeborene Tierpfleger mit dabei, die mit Ihrem fremdländischen Aussehen für Neugierde sorgten.
Elefanten, Gnus, Nashörner, Löwen, Tiger, aber auch Eisbären, Schlangen, exotische Vögel und vieles mehr mussten nach ihrer Ankunft zur so genannten Quarantäne-Station an der Kalandstraße gebracht werden. Der Weg der Tierkarawanen führte dann durch die Leinstraße, über den Markplatz, bis zur Station an der Kalandstraße.
Was wären die großen Zoos dieser Welt ohne die Alfelder Fima Ruhe?
Die wenigsten wissen heute noch welche Ausmaße das Tierhandelsimperium Ruhe bis hoch in die 1990er Jahre eingenommen hat.
Die Firma Ruhe gründete, besaß und pachtete zoologische Unternehmen in der ganzen Welt, so seien hier nur ein paar wenige wie der Freizeit-Zoo Brunkensen, der Ruhr-Zoo Gelsenkirchen, oder die Auto-Safari auf Mallorca genannt, aber Ruhe war besonders am Wiederaufbau des Zoo Hannover nach dem 2. Weltkrieg maßgeblich beteiligt. Eine Tatsache, die vielen heute nicht mehr bewusst ist. Das Artenschutz-abkommen und verschärfte Tierschutzgesetze sorgten ab 1974 für das schleichende Ende des ehemals weltumspannenden Tierhandelsimperiums, dessen Spuren sich bis heute in vielen Zoos, Zirkussen und zoologischen Gärten erhalten haben.
(Bild rechts: Hermann Ruhe (II) auf seiner Afrika–Reise 1959: sonnengebräunt und selbstbewusst)