Die Schaper-Orgel von St. Nicolai
Die Kirchengemeinde St. Nicolai besitzt eine großartige Orgel mit überregionaler Bedeutung. Der aus Sack bei Alfeld stammende bekannte Orgelbauer Heinrich Schaper hat sie 1863 gebaut. Es ist seine größte, schönste und klangreichste Orgel.
Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag VOR der Sanierun der Orgel verfasst wurde. Dieser Inhalt wird demnächst überarbeitet.
Entstehung und Umbauten
Am 24.10.1860 lieferte der Hildesheimer Orgelbauer Heinrich Schaper (1802-1884) einen Neubau-Kostenanschlag für eine dreimanualige Orgel mit 30 Registern und Disposition.
Als Disposition bezeichnet man die Gesamtanlage einer Orgel. Diese setzt sich aus den einzelnen Registern, aber auch aus technischen Details wie Art der Spiel- und Registertraktur, Manualverteilung, Spielhilfen und der verwendeten Stimmung zusammen. Die Disposition wird für jede Orgel individuell vom Orgelbauer in Rücksprache mit dem Auftraggeber erstellt und unterscheidet sich in ihren Grundzügen in unterschiedlichen Epochen und Strömungen der Musikgeschichte. Praktische Gegebenheiten wie Einsatzzweck, Akustik des vorhandenen Raumes, vorhandener Platz und nicht zuletzt die finanziellen Möglichkeiten sind weitere maßgebliche Aspekte.Da jede Orgel normalerweise eigens für ihren Aufstellungsort entworfen und gebaut wird, gibt es kaum Orgeln mit absolut identischen Dispositionen.
Auf die einzelnen Dispositionen wollen wir aber an dieser Stelle nicht bis ins Detail eingehen.
Heinrich Friedrich Enckhausen, Schlossorganist in Hannover, hatte diesen Vorschlag zu prüfen und äußerte in seinem Gutachten am 9.5.1861 Änderungswünsche. Am 20.8.1861 wurde der Neubau-Vertrag auf der Grundlage der erweiterten Disposition geschlossen.
Heinrich Schaper, Hildesheim baute 1862-1863 ein Instrument mit 31 Registern auf 3 Manualen und Pedal. Das Werk hatte Schleifladen und mechanische Traktur.
Im April 1863 wurde die Orgel in Alfeld aufgestellt. Die Bauleitung lag in den Händen des Gesellen Ludwig Buckow, der seit 1855 bei Schaper tätig war und bis 1899 der Firma angehörte. Das Instrument erfuhr im 19. und in der ersten Hälfte der 20. Jahrhunderts keinerlei Änderungen. Heinrich Schaper und sein Sohn August Schaper pflegten die Orgel regelmäßig bis 1919 und nahmen Reinigungen und kleine Reparaturen vor.
1917 mussten die Prospektpfeifen aus hochwertigem Zinn für Kriegszwecke abgeliefert werden. Sie wurden später durch Pfeifen aus Zink ersetzt, die noch heute im Gehäuse stehen.
Vor 1955 wurde eine erste kleinere Dispositionsänderung vorgenommen Diese Arbeiten sollten den romantischen, dunkel gefärbten Klang ein wenig aufhellen, aber auch das Fundament des Pedals verstärken. Im Einzelnen wurden folgende Arbeiten vorgenommen:
(1) Fugara 8’ wird zu einer Violflöte 8’ umintoniert, (2) Cornett 3fach entfällt, dafür wird eine Quinte 2 2/3’ auf den Stock des Cornetts gestellt, (3) Gambe wird abgeschnitten und zu einer Sifflöte 1’ umgearbeitet, (4) Mixtur 3fach wird neu hinzugefügt, Portunalflöte 8’ entfällt, (5) Nasat 3’ wird zu Sesquialtera 2fach erweitert, (6) Violon 16’ wird zu Quinte 10 2/3’ umgebaut, um einen akustischen 32’ zu gewinnen, (7) aus den Pfeifen des Cornett wird eine 3fache Pedalmixtur neu zusammengestellt.8 Die Orgel hatte nach diesem Umbau 32 Register.
Diese Arbeiten sollten das Instrument zu einem auch für Barockmusik geeigneten Werk machen. Die Änderungen hatten aber nicht den gewünschten Erfolg, weil ein umfassendes Konzept fehlte. Mit der Beseitigung der Streicher und dem Hinzufügen einiger hoher Stimmen war es nicht getan.
So entschloss man sich schon wenige Jahre später, die Orgel durchgreifend umzugestalten und Teile derselben völlig neu zu bauen. Ziel war, die romantische Orgel zu einem Instrument so umzubauen, dass es vor allem für die Interpretation barocker Kompositionen geeignet wird. Das kleine Echowerk (Manual III) wurde beseitigt und ein Rückpositiv in der Emporenbrüstung wurde neu gebaut. Die Disposition der Orgel wurde völlig neu entworfen und konnte durch den Bau des Rückpositivs größer ausgelegt werden. Sie umfasst seitdem 37 Register auf drei Manualen und Pedal.
Die Arbeiten wurden 1957 bis 1962 in mehreren Bauabschnitten von der Orgelbaufirma Friedrich Weißenborn in Braunschweig ausgeführt. Die Arbeiten standen ganz unter dem Zeichen des wirtschaftlichen Wachstums der 50er und 60er Jahre. Die Windladen des I. und II. Manuals wurden umgebaut, die des Rückpositivs und des Pedals wurden von der Firma Laukhuff in Weikersheim neu gebaut. Die originale Balganlage wurde stillgelegt. Ein Keilbalg wurde an ein elektrisches Gebläse angeschlossen und dient seitdem als Magazinbalg.
Durch den Einbau des Rückpositivs war ein Neubau der gesamten Mechanik erforderlich. Die Orgel erhielt einen neuen Spieltisch und die Manuale wurden neu zugeordnet. I = Rückpositiv, II = Hauptwerk, III = Oberwerk. Dies ist eine barock orientierte Anordnung, wohingegen die der romantischen Epoche sich an Lautstärken orientiert: I = Hauptwerk, II = Oberwerk, III = Echowerk.
Die Wellen wurden nicht in traditioneller Weise aus Holz, sondern aus Aluminium gefertigt. Die Torsion dieser Wellen ist bei den breit ausgelegten Laden zu stark und führt zu einer schwammigen Spielart. Statt der Holzabstrakten wurden außerdem Aluminium-drähte verwendet. Dies beeinträchtigt bei größeren Längen aufgrund der stärkeren Dehnung zusätzlich die Qualität der Spieltraktur.
1969 wurde die Orgel nochmals verändert: Die Firma Emil Hammer fügte zwei neue Stimmen ein und bezeichnet diese Veränderung in Ihrem Werkverzeichnis als Opus 1626. 10 Zusätzliche Studien im Archiv der Gemeinde und im Archiv der Firma Hammer sind erforderlich, um die einzelnen Maßnahmen zu erkunden und die Gründe für die Veränderungen besser erfassen zu können.
Die mit diesem Umbauten verbundene Umgestaltung der Orgel war aus Sicht der Orgelbewegung eine Verbesserung, weil das Instrument klanglich vielseitiger einsetzbar war und dieser Zugewinn als deutlicher Fortschritt empfunden wurde. In Wirklichkeit ist durch die Verwendung und Umgestaltung alter Teile ein Konglomerat aus alten und neuen Registern entstanden, die nicht zueinander passen. Zahlreiche Faktoren wie Mensuren, Materialien, Intonation, Winddruck und vieles mehr wurden nur unzureichend in die Umgestaltung einbezogen. Die stilistische Einheit des ursprünglichen Instrumentes ging verloren.
Andererseits ist der heutige Zustand auch aus denkmalpflegerischer Sicht zu beurteilen. Wenn auch das Unternehmen Weißenborn keine besonders gute Firma war und die Orgel nicht im Sinne der Denkmalpflege behandelt werden muss, so ist doch das Werk zeittypisch. Wenn wir all diese Instrumente beseitigen würden, haben wir in 50 Jahren keine Zeugen dieser Zeit. Eine Restaurierung der Schaper-Orgel wirft deshalb zahlreiche Fragen auf, die nicht leicht zu beantworten sind.
Quelle: Die Schaper-Orgel in Alfeld, St. Nicolai, und ihre Geschichte – Gutachten von Prof. Dr. Uwe Pape, Berlin, 9. Dezember 2008
Erhaltene Orgeln von Heinrich Schaper
(vollständige Übersicht)
Orgeln, von denen nur noch das Gehäuse erhalten ist, werden nicht aufgeführt.
1840 Groß Heere, Ev.-luth. Kirche, 14 II, erhalten.
1849 Möllensen, Ev.-luth. Kirche, 8 I, erhalten.
1857 Listringen, Ev.-luth. Kirche, 6 I, erhalten.
1858 Kemme, Ev.-luth. Kirche, 15 II, 1892 von A. Schaper umgebaut, mit neuem Gehäuse erhalten.
1858 Heinde, Ev.-luth. Kirche, 11 I, 1891 von A. Schaper auf 16 II erweitert, verändert erhalten.
1859 Eimsen, Ev.-luth. Kirche, 12 II, verändert erhalten.
1862 Alfeld, Ev.-luth. St. Nicolai-Kirche, Interimsorgel, 8 I, in Gustedt, Ev.-luth. Kirche, verändert erhalten.
1862-63 Alfeld, Ev.-luth. St. Nicolai-Kirche, 31 III, stark verändert erhalten.
1863 Baddeckenstedt, Ev.-luth. Kirche, 12 II, verändert erhalten.
1863 Münstedt, Ev.-luth. Kirche, 13 II, erhalten.
1864 Woltershausen, Ev.-luth. Kirche, 14 II, verändert erhalten.
1865 Handorf, Ev.-luth. Kirche, 14 II, verändert erhalten.
1866 Binder, Ev.-luth. Kirche, 4 I, verändert erhalten.
1867 Desingerode, Kath. Kirche, 22 II, verändert erhalten.
1867 Sottrum, Kath. Kirche, 5 I, verändert erhalten.
1868 Oedelum, Ev.-luth. Kirche, 11 II, erhalten.
1868 Petze, Ev.-luth. Kirche, 8 I, erhalten.
1868 Uetze, Ev.-luth. Kirche, 19 II, verändert erhalten.
1869 Immingerode, Kath. Kirche, 11 II, verändert erhalten.
1870 Neuhof, Ev.-luth. Kirche, 12 II, verändert erhalten.
1871 Hagenburg, Ev.-luth. Kirche, II, stark verändert erhalten.
1871 Leezen, Ev.-luth. Kirche, 8 I, stark verändert erhalten.
1873 Hoheneggelsen, Ev.-luth. Kirche St. Martin, 17 II, erhalten.
1873 Klein Elbe, Ev.-luth. Kapelle, 7 I, verändert erhalten.
1875 Lamspringe, Ev.-luth. Kirche, 20 II, verändert erhalten.
1876-77 Sehlem, Ev.-luth. Kirche, 12 II, verändert erhalten.
Erhaltene Orgeln von August Schaper (vollständige Übersicht) Orgeln, von denen nur noch das Gehäuse erhalten ist, werden nicht aufgeführt.
1878 Söhre, Kath. Kirche, 15 II, erhalten.
1881 Ahrbergen, Kath. Kirche, 7 I, erhalten.
1883 Sorsum, Kath. Kirche, 17 II, Windlade und Pfeifenmaterial erhalten.
1884 Asel, Kath. Kirche, 15 II, Gehäuse von vor 1590, verändert erhalten.
1886 Harsum, Kath. Kirche, 30 II, erhalten.
1887 Groß Giesen, Kath. Kirche, 17 II, verändert erhalten.
1887 Bilderlahe, Kath. Kirche, 8 I, stark verändert erhalten.
1888 Marienrode, Kath. Kirche, 29 II, Gehäuse und Pfeifenmaterial von Christian Vater, erhalten. 6
1889 Feldbergen, Ev.-luth. Kirche, 13 II, 1899 durch August Schaper umgesetzt und umgebaut, erhalten.
1890 Bühren, Ev.-luth. Kirche, 8 I, erhalten.
1891 Adlum, Kath. Kirche, 15 II, erhalten.
1892 Ottbergen, Kath. St. Nikolai-Kirche, 19 II, verändert erhalten.
1893 Lechstedt, Ev.-luth. Kirche, 12 II, verändert erhalten.
1894 Hüddessum, Kath. Kirche, 13 II, verändert erhalten
Quelle: Die Schaper-Orgel in Alfeld, St. Nicolai, und ihre Geschichte – Gutachten von Prof. Dr. Uwe Pape, Berlin, 9. Dezember 2008
Eine wichtige Säule der kirchlichen Musikkultur ist die historische Schaper-Orgel von St. Nicolai von 1863.
So klingt unsere Orgel im Moment noch, die Restaurierung steht unmittelbar bevor.
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Sie hören Kantaten aus der Zeit von Dietrich Buxtehude. Ein Konzert mit der Alfelder Kirchenkreiskantorei und dem Göttinger Kollegium.
Aufgenommen am 18.12.2005 in der St. Nicolai Kirche zu Alfeld (Leine) aus Anlass eines Konzertes der Alfelder Kirchenkreiskantorei St. Nicolai. Weitere Aufnahmen für diese CD fanden im März 2006 in St. Nicolai statt.
Die Aufnahme unserer Orgel war so nicht geplant, es hat sichso ergeben. Evtl. Störgeräusche bitten wir demnach zu entschuldigen. Dennoch kann sich das Ergebnis sehen lassen, denn auch dieser, wenn auch nicht orignale Klang der Schaper-Orgel, ist unvergleichlich…