Chronik des Finanzamts Alfeld (Leine)
Aufbau und Entwicklung (1920 – 1932)
Das Finanzamt Alfeld trat am 1.April 1920 mit der Schaffung einer einheitlichen Reichsfinanzverwaltung in Leben. Sein Bezirk erstreckte sich auf die Kreise Alfeld und Gronau, in denen bis dahin je ein Staatssteueramt mit dem Sitz in den Kreisstädten bestanden hatte. Um den Sitz des neuen Finanzamtes hatten sich die Städte Alfeld, Gronau und Elze beworben. Die Entscheidung fiel für Alfeld wegen seiner größeren wirtschaftlichen Bedeutung und seiner zentralen und mit günstigen Verkehrsverbindungen ausgestatteten Lage. Daneben fiel auch die bessere Unterbringungsmöglichkeit für Amt und Beamte ins Gewicht. Die Stadt Alfeld war bereit, ein für die damaligen Verhältnisse ausreichendes Dienstgebäude und vier Beamtenwohnungen zur Verfügung zu stellen.
Zur Unterbringung des Amtes wurde von der Stadt das ´Bahnhofshotel´, Am Bahnhof Nr.7, angekauft und an die Reichsfinanzverwaltung vermietet. Die beiden unteren Stockwerke wurden in Dienstraum, das obere und die Wohnung im Dachgeschoß wurden dem Amtsleiter bzw. dem Steuerwachtmeister als Dienstwohnungen zugewiesen. Der angrenzende, an der Straße gelegene kleine Restaurationsgarten wurde nach Umgestaltung dem Amtsleiter als zur Dienstwohnung gehörig überlassen.
Zur Schaffung von Beamtenwohnraum kaufte die Stadt das Peck´sche Hotel, Ecke Marktstraße und Marktplatz und stellte darin vier Wohnungen für Beamte mietweise zur Verfügung.
Der bauliche Zustand des Dienstgebäudes, das für die behördlichen Zwecke nur notdürftig hergerichtet wurde, war äußerst mangelhaft. Seinem Erbauer war, da das Haus auf sumpfigen Grunde errichtet wurde, schon bei der Herstellung mehrfach das Geld ausgegangen, und so wurde der Bau nur mit Unterbrechungen und dann auch nur unter Zuhilfenahme von inzwischen billig erstandenem Altmaterial zu Ende geführt. Die Minderwertigkeit des Materials und die dürftige Ausführung des Umbaus für die behördlichen Zwecke in diesem ersten Jahr der Nachkriegszeit machten sich sehr bald und in der Folgezeit immer wieder von neuem als äußerst nachteilig bemerkbar. Dazu kam, dass während der ganzen Dauer der Mietszeit weder die Stadt noch die Reichsfinanzverwaltung sich jemals zu grundlegenden Verbesserungen entschließen konnte, da die Stadt stets mit einem Ankauf des Hauses durch die Finanzverwaltung und diese mit einem baldigen, den steigenden Anforderungen entsprechenden eigenen Neubau rechnete. Die Stadt Alfeld hatte schon in früheren Jahren unter schweren Typhus-Epidemien zu leiden gehabt, die sich um so härter auswirkten, als in dieses ersten Jahren schwer in Mitleidenschaft gezogen, da starke Ausfälle durch Krankheit in seiner Belegschaft eintraten. Allmählich hatte sogar der Ruf des Finanzamtes dadurch derartig gelitten, dass bei notwendigen Personalveränderungen nicht selten Schwierigkeiten dadurch entstanden, dass auswärtige Beamte sich gegen eine Versetzung nach Alfeld sträubten. Die gesundheitlichen Verhältnisse besserten sich jedoch nachhaltig, als im Jahre 1925 die Wasserleitung neu gebaut und mit einwandfreiem Quellwasser gespeist wurde. Das bisherige Leitungswasser war anscheinend von dem häufig auftretenden Hochwasser der Leine verseucht worden.
Diese Hochwasser, das zuweilen mehrmals im Jahr das gesamte Leinetal überflutete, machte auch dem unmittelbar daran angrenzenden Finanzamt viel zu schaffen. Bei jedem Ansteigen des Grundwassers und des die Fundamente des Gebäudes unterirdisch bespülenden Dohnser Baches wurden auch die Kellerräume des Finanzamtes jedes Mal unter Wasser gesetzt. Sie waren dadurch nicht nur während des hohen Wasserstandes, sondern auch nachher wergen der in den Wänden verbleibenden Feuchtigkeit stets nur beschränkt verwendbar. Eine leider unausbleibliche Folge war, dass auch der Gesundheitszustand des im Erdgeschoß arbeitenden Personals des Amtes infolge der Feuchtigkeit des Mauerwerks bei nur wenig Zutritt von Luft und Sonne stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Nässe in den Kellerräumen wurde besonders in den Kriegsjahren sehr störend empfunden. Nicht nur, dass der Luftschutzkeller zeitweise seinem Zweck völlig entzogen wurde, auch die Unterbringung der abgelegten Akten begegneten erheblichen Schwierigkeiten, da auch der Bodenraum wegen der vorgeschriebenen Entrümpelung dafür nicht mehr in Frage kam. Zwar schien durch den Bau der Harztalsperren eine Zeitlang eine Besserung eingetreten zu sein. Der Stand des Hochwassers vom 31.Dezember 1925, bei dem der Verkehr des Publikums mit dem Finanzamt nur noch auf Sandsäcken und Laufbrettern möglich war, war viele Jahre nicht mehr erreicht worden.
Da trat am 7.Februar 1946 ein schwerer Rückschlag ein, der alles bisher dagewesene übertraf. Metertiefe, gewaltig brausende Fluten umgaben das Amtsgebäude und drangen, alle Zäune und sonstigen Hindernisse mit sich fortreißend, vom Hofe aus sogar in die im Erdgeschoss liegenden Diensträume ein. Nur mit schweren Lastkraftwagen konnte der am Finanzamt vorbei führende Verkehr zwischen Stadt und Bahnhof aufrecht erhalten werden, und in den Tagen danach bot die Straße mit ihrem größtenteils aufgerissenen und fortgespülten Pflaster und den überall umherliegenden Trümmerresten einen trostlosen Anblick. Eine Wiederholung des Hochwassers am 29.Dezember, richtete aber nur geringeren Schaden an.
Der Bezirk des Finanzamts, der die später miteinander verschmolzenen Kreise Alfeld und Gronau umfasste, hatte einen Flächenraum von 488qkm mit rd. 51.000 Einwohnern. Zu ihm gehörten die Städte Alfeld (7000 Einwohner), Gronau (2900 Einwohner) und Elze (3000 Einwohner) sowie 74 Landgemeinden. Die weit überwiegende lutherische Bevölkerung fand ihre Existenz etwa zu
12 v.H. als Industrie- u. Handelsunternehmer,
16.v.H. als Handwerker,
12.v.H. als Landwirte (landw. genutzte Fläche: 31500 ha)
60.v.H. als Arbeitnehmer und gleichstehende Erwerbsstände.
Zu den wichtigen Industriezweigen gehörten die Spiegelglas-, Papier-, Holz-und Maschinenindustrie, vertreten durch
Die Spiegelglasfabrik, spätere deutsche Opakglaswerke A.G. in Freden,
die Hann. Papierfabriken Alfeld-Gronau in Alfeld und Gronau,
die Papierwarenfabrik Ernst C. Behrens in Alfeld,
die Gewerkschaft Desdemona, Kalisalzbergwerk in Godenau,
die Gewerkschaft Glückauf, Betriebsabtlg. Hohenzollern, Kalibergwerk in Freden,
die Schuhleistenfabrik C. Behrens A.G. in Alfeld,
die Schuhleistenfabrik Faguswerk in Alfeld,
die Korkwarenfabrik Hermann Meyer in Alfeld,
die Holzwarenfabrik Wilhelm Niemeyer in Duingen,
die Maschinen- u. Fahrzeugfabriken Alfeld-Delligsen in Alfeld u. Delligsen,
die Eisengießerei Otto Wesselmann in Alfeld,
die Metall- u. Modellfabrik Künkel Wagner & Co. in Alfeld,
die Waggonfabrik Heine & Holländer GmbH in Elze,
das Kalkwerk Marienhagen GmbH in Marienhagen,
die Hann. Porzellanfabrik u. Metallwerk AG in Lamspringe,
die Zuckerfabrik Nordstemmen GmbH in Nordstemmen,
die Gronauer Rübenzuckerfabrik GmbH in Gronau
Als bedeutende Handelsunternehmen von Weltruf waren die Firmen
- Ruhe, Großhandel mit exotischen Tieren,
Ernst Binnewies, Zyclamenzüchterei,
Alfred Klapproth, Zyclamenzüchterei,
sämtlich in Alfeld, zu nennen.
Zum Vorsteher des Amtes wurde der Regierungsrat Dr. Künzel ernannt.
Mit der Übernahme der Geschäfte durch das Finanzamt gingen noch nicht sämtliche Reichssteuern auf das Amt über. Die Umsatzsteuer wurde noch bis zum 01.01.1921 von den Kommunalbehörden (Kreisausschüsse Alfeld und Gronau und Magistrat Alfeld) verwaltet. Das Gleiche galt für die Grunderwerbssteuer. Im Jahre 1921 erhielt das Amt auch erst eine eigene Kasse. Bis dahin waren die Kassengeschäfte der Reichsfinanzverwaltung am Ort von der staatlichen Kreiskasse in Alfeld mit erledigt worden. Im Zuge der dem Amte neu übertragenden Arbeiten wurde auch eine Anzahl Beamte von den Verkehrsverwaltungen übernommen. Der Aufbau der Verwaltung verlief reibungslos. Schwierigkeiten entstanden erst durch das Fortschreiten der Inflation, die die Finanzkasse allmählich derartig mit Zahlungsmitteln überschwemmte, dass eine Reihe von Beamten aus Veranlagungsstellen lediglich zum Geldzählen und Bündeln in die Kasse abgeordnet werden musste. Auch die Räume der Kasse reichten schließlich nicht mehr aus, sodass im Hotel Kaiserhof eine Zweigstelle der Kasse eingerichtet werden musste, aus der die Geldscheine in Waschkörben zur Hauptstelle herangebracht werden mussten. Nach Einführung der neuen Währung verlief die weitere Entwicklung des Amtes, abgesehen von den Auswirkungen des Beamtenabbaus, von dem auch alle anderen Finanzämter betroffen wurden, im Allgemeinen wieder ruhig und gleichförmig.
Am 1.April 1925 wurde der Regierungsrat Tiegs als Vorsteher an das Finanzamt versetzt, da das Amt sowohl in personeller Hinsicht als auch bei Erfüllung seiner Aufgaben in gewisse Schwierigkeiten geraten war. Vor allem galt es, Kassenrückstände, die teilweise bis zu 2 Jahre alt waren, hereinzuholen. Dabei zeigte es sich, dass von einem Buchhalter und einer Steuerberatungsgesellschaft in Hildesheim, die viele Alfelder Geschäftsleute vertraten und auch die Einziehung und Abführung von Steuern erledigt hatte, erhebliche Veruntreuungen gegangen waren. Die Schuldigen wurden zur Anzeige gebracht und zu Freiheitsstrafen – der Buchhalter zu sechs Monaten Gefängnis – verurteilt.
Das Ansehen des Finanzamts litt dabei allerdings schwer, umso mehr als auch der Kassenleiter in die Sache verwickelt war. Die Feststellung des Verbleibs der eingezogenen Beträge und die Klärung der Rückstände in allen Einzelheiten im Benehmen mit dem von den Gläubigern der Gesellschaft gebildeten Ausschuss und das Hereinbringen der Rückstände neben den laufenden Steuern zogen sich noch Jahr und Tag hin und bildeten eine recht erhebliche Belastung für das Amt. In den darauf folgenden Jahren gestaltete sich die Tätigkeit des Amtes reibungslos. Die allgemeine Wirtschaftslage im Bezirk verschlechterte sich jedoch von Jahr zu Jahr in einem nicht geahnten Maße. Der Beschäftigungsgrad der für die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung maßgebenden Betriebe ging mehr und mehr zurück, und die Zahl der Erwerbslosen stieg auf eine unerträgliche Höhe. Die industriellen Unternehmungen des Bezirks konnten schließlich infolge Auftragsmangels ihre Anlagen nicht mehr annähernd ausnutzten und stellten sich, soweit nicht Personalentlassungen erfolgten, auf Kurzarbeit um. Daneben nahm die Verschuldung der Landwirtschaft ständig zu. Ganz erhebliche Ausfälle an Umsatz- und veranlagter Einkommenssteuer und Lohnsteuer waren die unausbleibliche Folge. Das Gesamtaufkommen des Amtes an Reichssteuern, das im Rechnungsjahr 1925 2,9 Millionen betragen und sich in den folgenden Jahren noch einigermaßen auf der gleichen Höhe gehalten hatte, ging bis zum Jahre 1932 auf 1,9 Millionen zurück.
Der Einfluss des nationalsozialistischen Regimes (1933 – 1939)
Die politischen Umwälzungen durch die Machtübernahme Hitlers im Jahre 1933 gingen auch am Finanzamt Alfeld nicht ohne tiefere Einwirkungen vorüber. Als der Druck des Staatsekretärs Reinhardt auf die Beamtenschaft immer stärker wurde und für den 30.April 1933 eine allgemeine Aufnahmesperre für die Partei angesagt wurde, meldeten sich – buchstäblich in letzter Stunde – auch fast alle diejenigen Beamten und Angestellten noch zum Eintritt in die Partei, die sich bis dahin dazu nicht hatten entschließen können. Es waren dies ausnahmslos Beamte, die bisher dem politischen Leben gänzlich ferngestanden hatten, nun aber bei ablehnendem Verhalten dienstliche Nachteile befürchteten. So kam es, dass am 1.Mai die Belegschaft des Amtes mit ganz wenigen Ausnahmen zur Partei zählte. Das Finanzamt Alfeld marschierte damit in dieser Hinsicht an der Spitze sämtlicher Finanzämter des Oberfinanzbezirks!
Die ungünstigen Auswirkungen dieses Pflichteifers sollten allerdings nicht ausbleiben. Da die Beamtenschaft einsatzbereit wie im Dienst, auch der Partei jedes geforderte Opfer an Arbeit und Zeit brachte – es allerdings auch nicht gewagt hätte, Interessenlosigkeit zu zeigen – wurde sie immer fester in den Parteidienst eingespannt. Die natürliche Folge war, dass sie bald mit Parteiarbeit derart überlastet war, dass ihr fast jede Freizeit genommen war und die Erledigung ihrer dienstlichen Obliegenheiten darunter litt. Der Amtsleiter sah sich daher genötigt, beim Oberfinanzpräsidenten vorstellig zu werden, dass die Gauleitung eingeschaltet werde, um hier Abhilfe zu schaffen, weil bei den örtlichen Stellen auf Verständnis nicht zu rechnen war. Stattdessen wurde vom Oberfinanzpräsidium die Wahrung der Parteiinteressen bei der Präsidialstelle bestellten Beamten nach Alfeld entsandt, um mit der Kreisleitung zu verhandeln. Durch eingehende Aussprache, zu der bezeichnenderweise der Vorsteher des Amtes – offenbar aus Misstrauen gegen seine politische Zuverlässigkeit – nicht hinzugezogen wurde, wurde schließlich erreicht, dass die Kreisleitung zusagte, von einer noch stärkeren Belastung der Amtsangehörigen mit Parteiämtern vorläufig abzusehen. Allein, schon die damalige enge Verstrickung der Belegschaft in die Dienste der Partei genügte, um dem Amt bei der späteren Entnazifizierung erhebliche Schwierigkeiten zu bereiten.
Um einer falschen Auffassung vorzubeugen, sei hierbei aber besonders erwähnt, dass bei allem Einsatz der Beamtenschaft für die Partei von einer nationalsozialistischen Verseuchung des Amtes niemals die Rede sein konnte. Trotz enger Fühlung mit den Parteidienststellen, die ja den Finanzämtern immer wieder ausdrücklich zu Pflicht gemacht war, hat es im Finanzamt Alfeld weder einen Wettlauf um Parteiämter noch Reibungen mit politisch anders Denkenden gegeben. Die Amtsleitung war stets mit bestem Erfolge bemüht, alle Einmischungen der Partei und ihrer Gliederungen, insbesondere der Arbeitsfront, in Angelegenheiten des Amtes zu unterbinden, und sie ist dabei von der gesamten Belegschaft immer verstanden und auch unterstützt worden.
Durch Ankurbelung der Wirtschaft, die Hitler alsbald nach seiner Machtübernahme in die Hand nahm und mit allen Mitteln förderte, ging die Zahl der Erwerbslosen auch im Kreise Alfeld nach und nach zurück. Die Produktion in Industrie und Handwerk nahm wieder zu, und Handel und Verkehr gingen einem neuen Aufstieg entgegen. Durch die Hebung des Bauernstandes in einer Weise wie nie zuvor besserte sich die Lage der Landwirtschaft zusehends. Die Gesundung der wirtschaftlichen Verhältnisse, die sich von Jahr zu Jahr steigerte, spiegelte sich im Kreise Alfeld in dem Anwachsen seines Steueraufkommens sehr deutlich wieder. Das Gesamtaufkommen an Reichsteuern betrug in den Rechnungsjahren:
1933: 2.104.130 RM 1936: 3.367.057 RM
1934: 2.504.084 RM 1937: 4.151.794 RM
1935: 2.732.516 RM 1938: 5.094.250 RM
Die stärkere Belastung, die die Hebung der Steuerkraft dem Finanzamt bei Bearbeitung aller Steuerarten brachte sowie die Übertragung ganz neuer Aufgaben auf bevölkerungspolitischem Gebiet (Ehestandsdarlehn und Kinderbeihilfen) hatten im Gefolge, dass die Räumlichkeiten des Amtes trotz engster Belegung bald nicht mehr ausreichten. Die Amtsleitung war daher genötigt, mit dem 1.X.38 einige weitere Räume im Hause Leinstr.30 hinzuzumieten und darin einzelne Dienststellen, die leichter abzutrennen waren, nämlich die Bewertungsstelle, die Grunderwerb- die Körperschaftssteuer- und Betriebsprüfungsstelle unterzubringen. Aber auch diese Erweiterung war nur ein Notbehelf. Die Unterbringung des Amtes blieb unzureichend und wenig zeitgemäß. Daneben tauchte noch immer der Gedanke an eine Erweiterung des Amtsbezirks auf. Die früheren Pläne, das Finanzamt Gandersheim unter die benachbarten Ämter aufzuteilen, waren zwar fallen gelassen worden, doch schien jetzt die Angliederung der wirtschaftlich an den Kreis Alfeld angeschlossenen Gebietsteile der Finanzämter Gandersheim und Holzminden mit den Gemeinden, Delligsen, Kaierde, Grünenplan und Brunkensen in größere Nähe gerückt zu sein, da die Landesgrenzen kaum noch ein Hindernis darstellten. So trat die Notwendigkeit, der Raumnot durch einen Neubau abzuhelfen, immer deutlicher hervor, Endlich, nach jahrelangen Bemühungen um den Bau eines neuen Finanzamts wurde schließlich nach örtlicher Besichtigung durch den zuständigen Referenten im Ministerium die Notwendigkeit eines Neubaus anerkannt um am 13.01.1938 von der evangelischen Kirchengemeinde ein geeignetes Grundstück an der Bismarck-Ecke Gneisenaustraße, für den Preis von 8.720 RM käuflich erworben. Auch die Pläne für die äußere und innere Gestaltung des Baus wurden bald festgelegt. Aber schon die erste Baurate wurde, zweimal überwiesen, wegen dringlicher anderer Verwendung der Mittel wieder zurückgezogen. Ein neuer Krieg war in Vorbereitung.
Die Kriegsjahre (1939 – 1945)
Mit Ausbruch des zweiten Weltkrieges wurde sofort fast die Hälfte der gesamten Belegschaft des Amtes zur Fahne einberufen. Zwar traten schon einige Tage darauf die vom Arbeitsamt planmäßig bereit gestellten Dienstverpflichteten als Ersatzkräfte ein, doch wurden hierdurch und auch durch weitere Neueinstellungen die entstandenen Lücken nicht im Entferntesten ausgefüllt. Die Lage verschärfte sich vielmehr durch immer neue Einberufungen von Monat zu Monat und von Jahr zu Jahr. Bei den ständig wachsenden Anforderungen der Wehrmacht wurden auch die mittleren Jahrgänge und alle Angehörigen von Spezialwaffen nicht mehr als unabkömmlich anerkannt. So standen dem Amt in den späteren Kriegsjahren nur noch die ältesten Geburtsjahrgänge und die völlig wehruntauglichen Männer zur Verfügung. Damit ergab sich die zwingende Notwendigkeit, sich immer wieder den neuen Verhältnissen anzupassen, die einzelnen Dienststellen zusammen zu legen und mit immer schwächeren Kräften zu besetzen. Einige Dienstzweige, wie die Tätigkeit der Bewertungsstelle und die Bodenschätzung und der des Vollziehungsbeamten abgeliefert. Die Dienstvorschriften, soweit sie unter den erschwerten Verhältnissen nicht mehr restlos durchgeführt werden konnten, mussten gelockert werden. Die Zweigstelle des Amtes wurde eingezogen, weil die Räume im Hauptgebäude wieder ausreichten und auch das zur Beheizung nötige Brennmaterial nicht mehr beschafft werden konnte. Doch waren dies nur einzelne äußere Merkmale der ständig wachsenden Schwierigkeiten.
Besonders schwere Erschütterungen erlitt in diesen Kriegsjahren die Tätigkeit des Amtes durch die ständige Erhöhung der Luftgefahr. Der in den Friedensjahren ausgebaute Luftschutzkeller stellte bei der dauernden Verstärkung der feindlichen Luftwaffe sehr bald nur noch einen Splitterschutz dar, da der Keller nur leicht abgestützt und das ganze Gebäude so wenig stabil war, dass es früher schon bei den üblichen Erschütterungen durch den Straßenverkehr vielerlei Risse davongetragen hatte. Bei Eindringen des Grundwassers war er überhaupt nicht zu benutzen. Trotzdem wurden die Anordnungen der örtlichen Luftschutzleitung, soweit es die Verhältnisse gestatteten (Verdunkelung, Organisation des Luftschutzdienstes bei Tag und Nacht, Verhalten bei Alarm, Sicherung des Aktenmaterials usw.) genau befolgt. Als allerdings gegen Kriegsende der Fliegeralarm überhandnahm und nur noch selten und dann auch nur auf kurze Zeit unterbrochen wurde, konnten die Arbeiten des Amtes nur noch bei erhöhter Luftgefahr – tiefes überfliegen des Amtes durch stärkere Verbände – unterbrochen werden. Eine völlige Räumung des Grundstücks unter Zurücklassung einer Wache, wie von allen benachbarten Rüstungsbetrieben in diesem Falle auf besonderes Signal durchgeführt wurde, kam für das Amt wegen seiner unglücklichen örtlichen Lage nicht in Betracht. Die Belegschaft des Amtes hätte dann bei erhöhter Gefahr entweder das besonders bedrohte Industriegebiet noch durcheilen oder nach der entgegen gesetzten Richtung, das gegen Sicht völlig ungedeckte Leinetal durchqueren müssen, was ebenfalls zu schweren Verlusten führen konnte.
Das Stadtgebiet blieb jedoch trotz seiner zahlreichen für Rüstungszwecke arbeitenden Industriebetriebe glücklicherweise von jeglichen Fliegerschäden verschont. So blieb auch das Finanzamt im Allgemeinen unbeschädigt. Nur bei Bordwaffenbeschuß eines in der Näher vorüberfahrenden Eisenbahnzuges hatte es unbedeutenden Schaden erlitten. Die Vorsichtsmaßnahmen zum Schutze des Aktenmaterials gegen Bombengefahr waren unnötig gewesen. Die umfangreichen Listen und Aktenauszüge, die in bedrängtester Lage gefertigt und in länglichen Gemeinden ausgelagert waren, um im Fall einer Zerstörung des Amtes als Grundlage zur Fortsetzung der Arbeiten zu dienen, waren überflüssig geworden.
Auch in den Kriegsjahren stieg das Steueraufkommen weiter. Eine ganze Reihe von Industriebetrieben, wie die Firmen Behrens, Faguswerk, Künkel, Wagner & Co., Maschinen- und Fahrzeugfabriken, Wesselmann usw. arbeiteten als Rüstungsbetriebe auf Hochtouren. Das gleiche Bild zeigte sich in den kleineren Industriezentren des Kreises, wie in Elze, Gronau, Duingen, Freden, usw. Es waren auch neue Betriebe hinzugekommen, da verschiedene auswärtige Rüstungsgroßbetriebe aus Gründen der Luftgefahr erhebliche Teile ihrer Fabrikation in den Bezirk des Finanzamts Alfeld verlegt hatten (Alfa Werk, Hildesheim, Büssing, Braunschweig).
Das Gesamtaufkommen an Reichssteuern betrug in den Rechnungsjahren:
1939: 6.407.271 RM 1942: 11.795.584 RM
1940: 6.752.435 RM 1943: 11.762.997 RM
1941: 8.776.349 RM 1944: 13.008.823 RM
Doch war diese Steigerung bei weitem nicht allein auf die vermehrten Umsätze, sondern auch auf die in erheblich verstärktem Maße durchgeführten Betriebsprüfungen, vor allem aber auf die mehrmalige und starke Erhöhung der Steuersätze zurückzuführen, die die ständig wachsenden Kriegsausgaben erforderlich gemacht hatten.
Die Nachkriegszeit ( 1945 – 1948)
Als am 8.April 1945 die amerikanischen Panzertruppen sich der Stadt näherten, wurde der absurde Plan, die Stadt mit Volkssturm und Hitlerjugend zu verteidigen, im letzten Augenblick aufgegeben. Die Stadt wurde daher kampflos besetzt. Wie alle Häuser wurde auch das Finanzamt beim Einmarsch mehrmals gründlich durchsucht und mit Truppen belegt, die zur Bemannung der Fahrzeuge gehörten, die in großer Zahl auf den Leinewiesen dicht neben dem Gebäude parkten. Ein Zimmer im Erdgeschoß wurde als Radio-Reparaturwerkstatt eingerichtet. Von einer Räumung der Dienstwohnungen, die bereits befohlen war, wurde auf Vorstellungen des Finanzamtsvorstehers noch in letzter Stunde Abstand genommen. So blieb das Gebäude wenigstens dauernd unter dienstlicher Aufsicht. Nach wenigen Tagen standen auch die Unterkünfte wieder leer. Zwar drangen immer noch einzelne Soldaten in Haus und Hof ein, und ausländische Arbeiter, die sich als Herren der Lage fühlend überall umhertrieben, durchsuchten alles und erbrachen Schubfächer und Schränke, doch zeigte sich, als ihnen endlich der Zutritt zu den öffentlichen Gebäuden untersagt war, dass verhältnismäßig wenig Schaden angerichtet und nichts Wesentliches in Verlust geraten war.
Infolge der verhängten strengen Verkehrssperre für alle Zivilpersonen ruhte der Dienst in den folgenden Tagen vollständig. Erst als die Bestimmungen gelockert waren, fand sich die Belegschaft des Amtes, soweit sie ortsansässig war, wieder zum Dienst ein, und die laufenden Arbeiten, insbesondere die Veranlagung, wurden, soweit es die äußeren Umstände gestatteten, wieder aufgenommen. Die Finanzkasse blieb allerdings noch längere Zeit für das Publikum geschlossen, da keine Möglichkeit bestand, etwa eingehende Gelder ordnungsgemäß abzuliefern. An einen einigermaßen geordneten Dienstbetrieb war aber auch in den anderen Stellen noch lange nicht zu denken. Abgesehen davon, dass sich die gesamte Bevölkerung unter der Wucht der Ereignisse in größter Erregung befand, bestand weder Post-noch Eisenbahnverkehr, und die Landstraßen waren so unsicher, dass sich kaum ein Radfahrer auf die Straße wagte. Erst nach und nach fanden sich daher auch die auswärts wohnenden Angestellten wieder ein, um sich über die steuerliche Auswirkung der zahlreichen von der Besatzungsmacht verkündeten neuen Gesetze zu erkundigen. Allmählich wurde vom Landratsamt eine Art Kurierdienst zu den kreisangehörigen Gemeinden und nach Hildesheim eingerichtet, an den sich auch das Finanzamt anschließen konnte. So wurde auch über das Finanzamt Hildesheim wieder die erste Verbindung mit dem Oberfinanzpräsidium aufgenommen und längere Zeit in dieser Weise aufrecht erhalten. Die Amtsführung war in jener ersten Nachkriegszeit auch durch die ausschließlich von militärischen Dienststellen ausgeübte Kontrolle der amerikanischen Besatzungsmacht sehr erschwert. Mündliche Verhandlungen und Schriftverkehr wickelten sich nur in englischer Sprache ab, ohne dass dem Amt ein Dolmetscher zur Verfügung stand, und den Berichten und Auskünften des Amtes wurde ein deutliches Misstrauen entgegengebracht. Dazu wurden die Kommandostellen sehr häufig, bisweilen schon nach Tagen, mit neuen Truppenteilen besetzt, die über die bisherige Fühlungnahme nicht unterrichtet waren und daher wieder von vorn anfingen. Ein Wandel zum Besseren trat erst ein, nachdem am 19.Juni 1945 die amerikanische Besatzung durch die englische ersetzt worden war.
Die Tätigkeit des Amtes befand sich noch im ersten Stadium des Wiederaufbaues, als es durch die Verordnung über die Entnazifizierung der Finanzbehörden erneut schwer beunruhigt und getroffen wurde. Nicht allein, dass die sog. Altparteigenossen und Inhaber wichtiger Parteiämter von der Amtsleitung automatisch zu entlassen waren; auch schon die niederen Dienstgrade der S.A. wurden davon betroffen. Daneben musste ein große Zahl von Inhabern unbedeutender Ämter in der Partei und den angeschlossenen Verbänden auf besondere Einzelanordnung der Militär-Regierung bis zur ordnungsmäßigen Nachprüfung durch den zuständigen Ausschuss aus dem Amt entfernt werden, weil die Militär-Regierung bei der Prüfung der eingereichten Fragebogen die Unwichtigkeit vieler dieser Ämter offensichtlich verkannte. So sank die Kopfzahl der Belegschaft in wenigen Monaten etwa auf die Hälfte herab. Es rächte sich bitter, dass so viele dem von dem Staatssekretär Reinhardt ausgeübten Druck teils aus reinem Pflichtgefühl, teils aus Sorge um die eigene Existenz und die der Familie in die Partei eingetreten und Ämter übernommen hatten. Begeisterung für die Sache der Partei hatte es bei den in letzter Stunde Eingetretenen, die in der Überzahl waren, kaum gegeben. Von Anfang an wegen ihres Zögerns als Parteigenossen 2.Klasse behandelt und durch den Schulungszwang, war das Interesse am Parteileben bei den meisten schon im Keime erstickt worden. Wenn sie trotzdem in die widerwillig übernommenen Ämter immer mehr hineingewachsen und schließlich fast unentbehrlich geworden waren, so hatte dies seinen Grund darin, dass die sog. Alten Kämpfer, die zunächst die wichtigeren Ämter unter sich verteilt hatten, allmählich versagten, weil sie den Anforderungen weder geistig noch charakterlich gewachsen waren. Zudem hatten sich deren Reihen auch während des Krieges durch Einberufungen zur Wehrmacht sehr gelichtet. So war man auf die Behördenangehörigen, die die erforderliche Eignung besaßen, schließlich geradezu angewiesen und hatte über den Mangel alter Parteizugehörigkeit bei ihnen umso eher hinweggesehen, als sie die Übernahme lästiger Ämter ohne Gefährdung ihrer Stellung auch nicht ablehnen konnte. Die Entlassung diese Beamten aus dem Dienst ohne jegliche Versorgung war daher eine ungeheure und dazu unverdiente Härte. Ganz abgesehen davon, dass viele Beamte z.B. im Dienste der SA. Sich für die Allgemeinheit geradezu aufgeopfert hatten – durch auswärtigen Katastropheneinsatz bei Fliegerangriffen, Flüchtlingsbetreuung, Schanzarbeiten in Holland usw.- war diese Art der Entnazifizierung eine Versündigung an der gesamten Beamtenschaft. Weil sie, wie stets, dem Staate ohne Rücksicht auf das politische System die Treue gehalten und unter dem Druck der vorgesetzten Behörden und der örtlichen Parteidienststellen, die namentlich in kleinen Gemeinden einen gewissen Terror über die Beamten ausübten, in die Partei eingetreten waren und Ämter übernommen hatten, machte man sie wie keinen anderen Berufsstand für das verbrecherische System Adolf Hitlers verantwortlich! Eine besonders tragische Folge dieses rücksichtslosen Vorgehens war der Tod des Obersteuerinspektors Menard. Heimatlos, als Ostflüchtling von seiner Familie getrennt, seiner Existenz und all seiner Habe beraubt, war es ihm endlich geglückt, wieder in der Finanzverwaltung Beschäftigung zu finden, als ihn nach wenigen Tagen trotz so geringer politischer Belastung, die Entlassung durch die Militär-Regierung traf. Mit den Nerven vollkommen zusammengebrochen nahm er sich das Leben.
Den politischen Umwälzungen entsprechend wurde sofort nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches die auf nationalsozialistischer Grundlage eingerichtete Dienststelle des Finanzamts – die Stelle für Ehestandsdarlehen und Kinderbeihilfen, die von Jahr zu Jahr einen größeren Umfang angenommen hatte – aufgelöst. Besondere Maßnahmen, die die Finanzierung des Krieges erforderlich gemacht hatte, wie die Arbeiten nach dem Neuen Finanzplan und die mit größtem Nachdruck betriebenen Kriegsbetriebsprüfungen wurden eingestellt. Gleichzeitig ergab sich die Notwendigkeit, die Vorschriften über Vereinfachungen des Verfahrens, die der Personalmangel, die Papierknappheit und die Behinderung durch die ständige Luftgefahr in allen Zweigen des Geschäftsbetriebes erforderlich gemacht hatten, nach und nach wieder aufzuheben und die alten Bestimmungen wieder in Kraft zu setzen. Wichtige Dienstzweige, die während des Krieges nicht weiterarbeiten konnten und daher auf Anordnung eingestellt waren, wie die Einheitsbewertung und die Bodenschätzung, wurden wieder aufgenommen. Ein Kraftwagen konnte dem Amt jedoch vorläufig nicht wieder zugewiesen werden.
Zur Abwicklung des im Bezirk befindlichen ehemaligen Wehrmachtsvermögens wurde auch beim Finanzamt Alfeld die Einrichtung einer besonderen Dienststelle erforderlich. Ihr unterstand die ehemalige Heeresmunitionsanstalt Godenau mit den dortigen von der Heeresverwaltung errichteten Wohnhäuser und fünf großen Wohnbaracken, ferner das Fertigungswerk Limmer mit Wirtschaftsgebäuden und das ehemalige Kaliwerk Meimerhausen. Der größte Teil dieser Anlagen, nämlich der Werk Desdemona mit den oberirdischen Anlagen, und das gesamte Fertigungswerk Limmer blieben jedoch in der Verwaltung der englischen Besatzungsbehörden und dienten zur Lagerung von Kriegsmaterial bzw. als Lager für verschleppte Polen und sonstige Ostländer. Durch Ausübung zahlreicher bewaffneter und unbewaffneter Raubüberfälle und Diebstähle der üblen Elemente entwickelte sich dieses Lager leider schon sehr bald zu einer Plage für den gesamten Bezirk und darüber hinaus, da es der deutschen Polizeigewalt und Gerichtshoheit nicht unterstellt war. Am 26.Oktober 1947 wurde der Schacht Desdemona von einer schweren Sprengstoffexplosion heimgesucht, die auch die ganze Stadt Alfeld heftig erschütterte und die beiden Schachteingänge mit den darüber befindlichen Bauten fast völlig zerstörte. Da die Besatzungstruppen aber auch weiterhin die Verwaltung der Anlage behielten, hatte sich die Abwicklungsstelle jeglichen Eingriffs zur Beseitigung der Schäden zu enthalten. Das Gelände blieb gesperrt. Soweit bekannt, wurden nur die notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung der betroffenen Maschinen ergriffen und die Trümmer, z.T. weggeräumt.
Bei dem bekannten schleppenden Gang des Entnazifizierungsverfahrens kehrten die aus politischen Gründen entlassenen Beamten nur sehr allmählich, teilweise erst nach Jahren, zu ihrer Dienststelle zurück, soweit ihre fernere Verwendung im öffentlichen Dienst bisher überhaupt als tragbar anerkannt wurde.
Nach der Demobilisierung kehrten auch die einst so siegesbewussten Kriegsteilnehmer heim, durch das bittere Kriegsende und die schweren Rückzugskämpfe zumeist seelisch und körperlich stark erschüttert. Soweit sie an fernen Fronten gekämpft oder in Kriegsgefangenschaft geraten waren, war ihnen die Heimkehr erst nach vielen Monaten und unter den schwierigsten Begleitumständen, teils völlig gebrochen, beschieden. Alle aber kehrten nicht zurück, auch das Finanzamt hatte dem Vaterlande schwere Opfer bringen müssen.
Es waren den Heldentod gestorben:
Der Steuerinspektor Willi D ö r n t e in Belgien,
der Steuerinspektor Adolf S c h l i m m e in Russland,
der Steuerinspektor Hans B ü s t in Italien,
der Angestellte Kurt F r ö h l i c h in Ostpreußen.
Vermisst waren:
Der Steuerinspektor Harm de Boer in Russland (Stalingrad),
der Steuersekretär Gustav M o h m e y e r in Russland.
Auf der Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft starb an Entkräftung der Steuersekretär August W e r n e r.
In der Heimat verstarb infolge Verschlimmerung eines alten Leidens durch die Strapazen des Rückzuges der Steuersekretär August B a u s e.
Das Finanzamt wird dieses bis zum Tode pflichttreuen Kameraden ein
dankbares und ehrendes Andenken bewahren.
Durch die Überflutung der westlichen Zonen mit Flüchtlingen aus dem Osten infolge der Schrecknisse des Krieges und der Räumung der unter polnische Verwaltung gestellten Provinzen stieg auch die Bevölkerungsziffer der zum Finanzamt gehörenden Gemeinden gewaltig an. Die Einwohnerzahl des Finanzamtbezirkes verdoppelte sich. Aber nur wenigen von diesen Flüchtlingen gelang es, unter so schwierigen Verhältnissen sich bald eine lohnende neue Existenz aufzubauen. Die weit überwiegende Zahl lebte von Unterstützungen, verzehrte den Rest ihres geretteten Barvermögens oder suchte durch kümmerlichen Erwerb, insbesondere durch Herstellung und Verkauf minderwertiger Artikel aus Abfall- und Altmaterial sein Dasein zu fristen. Mit diesem Flüchtlingszustrom wurde das Finanzamt auch von Beamten aus Danzig und den Provinzen Ostpreußen und Schlesien, für die der Bezirk Aufnahmegebiet war, überlaufen, die gänzlich mittellos und ihrer Existenz beraubt sich um schleunige Wiedereinstellung bewarben. Ihren Wünschen konnte aber so bedauerlich es war, nicht so leicht entsprochen werden. Da sie zumeist kaum Papiere besaßen und auch ihre politische Vergangenheit vollkommen im Dunkel lag, war es nicht zu verantworten, sie ohne die erforderlichen Nachweise wieder einzustellen, während die eigenen Beamten, bei denen alles klar zu Tage lag, vor ihrer Weiterbeschäftigung die politische Überprüfung abzuwarten hatten. So musste um ein einheitliches Vorgehen zu gewährleisten ihre Wiedereinstellung einer zentralen Regelung durch das Oberfinanzpräsidium überlassen bleiben, die dann auch bald einsetzte. In gleicher Weise häuften sich die Bewerbungen um Zulassung oder Wiederzulassung als Helfer in Steuersachen. Nicht allein die ihrer Existenz beraubten früheren zugelassenen Helfer und ehemalige Angehörige der Reichsfinanzverwaltung, sondern alles, was von Steuersachen und Buchführung auch nur einigermaßen Kenntnisse zu haben glaubte, drängte sich um die Zulassung. Auch hier musste eine eingehende Prüfung einsetzen, um bei der Zulassung gerecht zu verfahren und ungeeignete Elemente fernzuhalten.
Dieses gewaltige Anwachsen der Bevölkerungszahl bedeutete somit für das Finanzamt vorläufig noch keinen Aufschwung, sondern lediglich eine Belastung. Zwar stieg das Gesamtaufkommen an Reichssteuern auch in diesen Nachkriegsjahren noch ganz beträchtlich.
Es betrug:
1945: 10.281.676 RM
1946: 19.418.589 RM
1947: 23.098.299 RM
1./1948: 6.807.792 RM
Es wäre jedoch eine Täuschung, schon daraus auf eine allgemeine Besserung der Wirtschaftslage zu schließen. Die Steigerung hatte neben einer weiteren Erhöhung der Steuersätze zum allergrößten Teil ihren Grund darin, dass einige Großbetriebe, die bisher nur einen Teilbetrieb im Finanzamtsbezirk unterhalten, aber ihren Sitz in Berlin hatten, diesen in den Bezirk des Finanzamtes verlegten und damit hier in vollem Umfange steuerpflichtig wurden (Deutsche Eisenbahnbetriebsgesellschaft, Sanatogenwerke Bauer & Co.). Solange nicht die Wirtschaft von ihren schwersten Fesseln, der Kohlen-und Rohstoffknappheit, der Beschränkung der Ein-und Ausfuhr, der mangelnden Kaufkraft des Geldes, der Demontage und dem vernichtenden Einfluss des steuerlich nicht zu erfassenden „schwarzen Marktes“ befreit war, war an eine Besserung der Verhältnisse und eine damit verbundene Hebung der Steuerkraft auch im Bezirk des Finanzamtes Alfeld nicht zu denken.
Die Neuzeit von 1948 bis heute
Der bauliche Zustand des ursprünglichen Dienstgebäudes an der Bahnhofstraße, das für die behördlichen Zwecke nur notdürftig hergerichtet wurde, war äußerst mangelhaft. Sumpfiger Untergrund und mangelhafte Bauausführung sollten sich bis in die heutige Zeit als problematisch herausstellen.
Das ehemalige Dienstgebäude war irgendwann auch zu klein und den Anforderungen der Nachkriegszeit nicht mehr gewachsen – ein Neubau musste her.
Ab 1950 entstand an der Ravenstraße ein neues Baugebiet, das im Alfelder Volksmund zu Zeiten allgemeiner Baustoffknappheit und angesichts des gerade wütenden Korea-Krieges „Klein-Korea“ genannt wurde.
So wurde in den 1950er Jahren an der Ravenstraße das neue, heute noch bekannte „Amt für moderne Christenverfolgung“, gebaut.
Dieser Neubau bot Platz genug für die zahlreichen Beamten in den hellen, freundlichen Räumen.
Dieses Gebäude erhielt sich jahrzehntelang in seinen Grundzügen, nur eher behutsam wurde es in immer wieder renoviert und den Gegebenheiten der jeweiligen Zeit angepasst.
In den Jahren 2014 und 2015 wurde das Finanzamt grundlegend von außen saniert und modernisiert.