Mundts Weckdienst
Ein gutes Stück Alt-Alfelder-Geschichte spiegelt sich in den hervorragenden Photographien von Paul Freche wieder. Er, der nebenbei als Hausmusiker zu den Kino-Darbietungen im Central spielte, war ein echter Künstler. Bromsilber ermöglichte es, dass seine Aufnahmen diesen hohen bleibenden Wert haben. Es gab kein Fest, wo Paulchen Freche nicht mit seinem großen Kasten aufgetaucht wäre und photographiert hätte. So berichtet Heinrich Mundt von der Hochzeit seiner Schwester, die im Haus Eldagsen gefeiert wurde – jener Gastwirtschaft in der Leinstraße mit Kegelbahn, vielen Klubräumen und großem Saal (heute Brüderle).
Es ist wichtig zu wissen, dass Paul Freche stotterte. Sein wesentlicher Ausspruch lautete daher: „Bbbbbittte rrrecht freundlich!“ Aber die Damen mussten sich immer noch ein bbbißchen unterhalten und störten den Bildaufbau. Wenn die rechte Seite des Bildes stand, war die linke wieder in Unordnung geraten, und umgekehrt… Irgendwie muss er es geschafft haben, zwischen diesen beiden Phasen abzudrücken, wie seine Bilder beweisen.
Auf der Leinstraße war überhaupt immer etwas los.
Da war zum Beispiel der Drehorgelmann. Die verschiedenartigen Auffassungen zwischen den Preußen und den Hannoveranern spielten immer eine große Rolle (in Alfeld wurden vehement Sympathien für die Zugehörigkeit zum Königreich Hannover oder zu Preußen ausgesprochen. Die Stadt war gespalten).
So bekam der Drehorgelmann beim Uhrmachermeister Mundt, für den er „Den lustigen Hannoveraner“ spielte, ein Extratrinkgeld, wenn er mit dem Lied noch mal zur Familie Kolle zurückginge. Diese wohnten im Haus Nelsen und wollten immer gerne „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben“ hören. Dort erklang aber nun „Der lustige Hannoveraner“ als Nachricht des Welten Mundt an seinen preußischen Nachbarn Kolle. So ging es hin und her.
Frau Kreinse aus Freden brachte landwirtschaftliche Erzeugnisse in ihrer Kiepe nach Alfeld. Hauptsächlich verrichtete sie Botengänge für die Fredener in Alfeld. So war sie die Eierlieferantin für die Familie Mundt und brachte zugleich die Wecker der Fredener in Reparatur bei Uhrmacher Mundt. Auf diese Wecker waren die Fredener besonders angewiesen, damit sie pünktlich zu ihrer Arbeit im Schacht erschienen.
Vater Mundt übergab Frau Kreinse eine Sendung überholter Wecker zur Fahrt nach Freden. Sie besorgte sich ein Billett für den Eisenbahnwagen 4. Klasse – für Reisende mit Traglasten. Für Mutter Kreinse war die Fahrt nicht langweilig. Plötzlich klingelte einer der vielen Wecker los. Hatte sie den einen herausgefunden und es war gerade wieder Ruhe eingekehrt, bimmelte der nächste. Bei der darauf folgenden Fahrt nach Alfeld drohte sie Meister Mundt dann mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen.
Rund ums Rad
Oben sind wir bei Heinrich Mundt stehen geblieben, jetzt geht’s rasant mit ihm weiter …
Besonderen Spaß machte ihm das große Brennabor-Fahrrad von seinem Vater. Die ersten Fahrversuche wurden mit Hilfe einer Wäscheleine unternommen, an der er im Kreis fuhr. Als es dann soweit war, dass das Radfahren -insbesondere zum Kaninchenfutter-holen – begann, musste erst der Marsch zur Polizei erfolgen.
Kurt Schröer, Hans Rettberg, Wilhelm Markmann und Heinrich Mundt stellten den Antrag auf Ausstellung einer Fahrradkarte, die auch genehmigt wurde.
Nun konnte die wilde Jagd auf das Kaninchenfutter beginnen.
Mit dem Brennabor-Fahrrad, das keine Bremse hatte, ging die Fahrt bis nach Wettensen zu Bauer Bode (wobei die Rückfahrt den Berg hinunter wohl interessanter gewesen sein mag). Die Luzerne von ihm waren ganz besonders begehrt.
Quelle: Anneliese Peck & SIEBEN: Oktober & November 1998